Liberalismus

  • |

    Roger Scruton, England: An Elegy

    Vor einiger Zeit kam ein englischer Bekannter nach Krakau, der auf seiner Insel an einer Universität lehrt. Er ist ein fortschrittlicher Mensch. Obgleich (oder: da) er kein Wort Polnisch versteht, kam er von seinem ersten Bummel durch die ehemalige Hauptstadt Polens mit Entsetzen zurück: er habe, so (in seiner Zunge) wörtlich, einen Aufmarsch von Nazis gesehen. Ich weiß nicht, was er gemeint hat, kann mir auch nicht recht vorstellen, was er gemeint haben könnte. Am Abend des selbigen Tages noch hat er mir in einiger Erregung auseinandergesetzt, aus welchen Gründen die St.-Georgsflagge, das rote Kreuz auf weißem Grund, die Flagge Englands, rassistisch sei…

    Der Eifer meines Bekannten würde Roger Scruton zum Beispiel für die Entfremdung der Engländer von ihrem Land gereichen. Das abschließende Kapitel seines Buches England: An Elegy (London 2000) trägt den Titel „The Forbidding of England“; es beklagt, daß englische Studenten im Unterschied zu ihren Kommilitonen aus Wales oder Schottland ohne jede Vertrautheit mit den Helden ihrer eigenen – d.i. englischen (nicht: britischen) – Geschichte und von jeder Kenntnis ihrer eigenen Traditionen unbeleckt an die Universität kämen. „Nelson, to the majority of them, is Nelson Mandela“ (S. 248).

    Das England, welches Scruton beschreibt, ist Vergangenheit. Es ist untergegangen, zerrieben von den Kräften gesellschaftlicher Veränderung, in den Orkus befördert nicht zuletzt auch durch einen kräftigen Tritt von Seiten des vereinigten Europas, da – wie Scruton deutlich herausarbeitet – die englische Rechtstradition, das ‚von unten‘ her, aus der Beilegung konkreter Streitfälle erwachsene Common Law, mit der kontinentaleuropäischen Rechtssatzung, die in der Regel ‚von oben‘ und aus Rechtsprinzipien hoher (Vag- und) Allgemeinheit erfolgt, unvereinbar bleibt. Scrutons reichlich zweihundertfünfzig Seiten starker Essay ist, wie sein Autor über das Werk des Komponisten Ralph Vaughan Williams sagt, „a tender appreciation of a doomed experiment in virtue“ (S. 228).

    Scrutons Buch zählt zum Schönsten und Traurigsten, was ich in den letzten Jahren gelesen habe. Dabei ist es ganz unsentimental; faktenreich, mit einiger Distanz und Ironie, zuweilen amüsant und bissig geschrieben, empfiehlt es sich zur Einführung in die englische (und britische) Kulturgeschichte. Sofern zugestanden wird, daß das seit einigen Jahrzehnten modische In-Grund-und-Boden-Kritisieren alles Westlichen, Abendländischen, Europäischen oder ‚Weißen‘, mithin Freiheit in Wohlstand Verbürgenden eine allzu einfache, daher wohlfeile und ermüdende Übung sei.

    Selbst ein Kontinentaleuropäer, der mit den Engländern wenig am Hut hat oder eher an systematischen Fragen interessiert ist, wird aus diesem Buch manches Erhellende schöpfen können, ex negativo nämlich, über die logischen und praktischen Defizite der eigenen, von keiner vergleichbaren Gnade berührten Rechts- und Staatstradition; vielleicht wird er von hier aus Friedrich August von Hayeks Ausführungen über das Recht im Allgemeinen und das Common Law im Besonderen neu entdecken wollen (vgl. Hayeks, Law, Legislation and Liberty, Band 1). Und dem Liberalismustheoretiker oder Neocon, der Freiheit zu exportieren trachtet, dabei ein wenig „idealistisch“ (vulgo: blauäugig) sein mag, wird deutlich, daß er englische Freiheit alles Erdenkliche darstellen mag, nicht aber – den Normalfall.

  • |

    „Unplanned“

    Der vor kurzem in den Vereinigten Staaten angelaufene Film „Unplanned“ erzählt aus dem Leben von Abby Johnson, die als Direktorin einer PlannedParenthood-Abtreibungsklinik gearbeitet hat, bis sie während eines Schwangerschaftsabbruchs auf dem Computer-Monitor – per Ultraschall – beobachten konnte, was der Absaug-Apparat mit dem ungeborenen Kind tut und wie das Kind auf die Annäherung dieses Apparates reagiert, bevor es in Stücke und aus der Mutter gerissen wird. Seitdem widmet Abby Johnson ihr Leben dem Kampf gegen die Abtreibung.

    Bemerkenswert ist nicht nur der Film, sondern auch, wie mit ihm umgegangen wird. Wenn man den Berichten glauben darf, verweigerten bedeutende Medienkonzerne die Lizenz, ihre Musikstücke für den Soundtrack des Films zu gebrauchen. Viele führende Presseorgane ignorierten den Film; Fernsehgesellschaften zeigten keine Werbespots. Der Twitter-Account von „Unplanned“ war zeitweise lahmgelegt, die Follower-Anzahl schlug Kapriolen. Trotzdem verzeichnet der Film an den Kinokassen keine geringen Erfolge.

    Ganz gleich, wie man zur Abtreibung steht, läßt sich an dem Gelingen des Filmprojekts „Unplanned“ einiges lernen. Wenn Sie dessen Website näher anschauen, erkennen Sie, daß hier robustes Marketing betrieben wird – robust in dem Sinne nämlich, daß es, nun, Schwierigkeiten mit den großen Internetplattformen aushält. Plakate, Memes, Bilder von Filmszenen und anderes Material sind dort herunterzuladen, ja selbst der Trailer, falls er auf Youtube verschwinden sollte. Beherztes, selbständiges, kluges Handeln lohnt, mehr als das Gejammere über die Gemeinheiten von Big Tech.

    Das, liebe Freunde, ist Amerikanismus im besten Sinne!

  • Schönes Beispiel für gescheiterten Protektionismus

    Gut gemeint ist nicht gut gemacht. Der Merchant Marine Act aus dem Jahr 1920 sollte die US-Schiffsbauindustrie schützen und sicherstellen, daß es in Krisenzeiten ausreichend Tonnage geben werden, um zu transportieren, was auch immer zu transportieren sein würde. Das gleichfalls als Jones Act bekannte Gesetz verlangt, daß von US-Hafen zu US-Hafen ausschließlich Frachtschiffe fahren dürfen, die in den Vereinigten Staaten gebaut worden sind, die amerikanische Flagge führen und amerikanische Offiziere und Mannschaften an Bord haben.

    Der Effekt? Die Kapazität der US-Schiffsbauindustrie ist im internationalen Vergleich kaum der Rede wert, und es ist weit günstiger, Erdöl aus Afrika per Schiff in den Nordosten der Vereinigten Staaten zu transportieren, als von Texas aus. Mehr Transport über Land, als nötig wäre. (Und, ja: die Umwelt, die Umwelt!)

    Schönes Beispiel für gescheiterten Protektionismus.

    Mehr bei CATO.

  • |

    Reich wie Rockefeller, aber warum?

    Ganz einfach! John D. Rockefeller ist so reich geworden, weil er seinen Kunden diente. Er hat ihnen das Leben erleichtert und, was die täglich nutzbare Zeit angeht, im Wortsinne verlängert. Thomas Sowell:

    „Only after Rockefeller’s innovations in production and distribution cut the costs of kerosene to a fraction of what it had been before, were ordinary people able to afford to stay up for hours after dark, using kerosene lamps.“

    (Erst Rockefellers Innovationen in Produktion und Transport reduzierten den Preis von Petroleum derart, daß nun auch einfache Leute es sich leisten konnten, nach Einbruch der Dunkelheit viele Stunden wachzubleiben und im Licht der Petroleumlampen zu nutzen.)

    Die Moral von der Geschicht‘:

    [T]his was a process in which wealth was created, not a process by some could get rich only by making others poorer. […] Contrary to „robber baron“ rhetoric, Rockefeller did not reduce the wealth of society but added to it, his own fortune being a share in that additional wealth […].

    (Es handelt sich dabei um Vorgänge, durch die Reichtum entsteht, nicht um Vorgänge, durch die einige Menschen reicher werden, indem sie andere Menschen ärmer machen. […] Im Gegensatz zu Anschauungen, die Rockefeller als „Räuberbaron“ verächtlich machen, hat sein Tun den Wohlstand der Gesellschaft nicht reduziert, sondern erhöht, und sein eigenes Vermögen stellt eine Teilmenge dieses zusätzlich geschaffenen Wohlstandes dar.)

    Kein Nullsummenspiel eben.

    Thomas Sowell, Intellectuals and Society. Revised and Enlarged Edition, New York 2011, S. 41, 68; Thomas Sowell, Wealth, Poverty and Politics. An International Perspective, New York: 2015, S. 215. Bild: John D. Rockefeller (1839-1937) um 1900 (Ausschnitt), gemeinfrei.

  • Wie man aus guten Gründen und mit Stil die Seite wechselt

    Kanada: Die Abgeordnete Leona Alleslev verläßt die Progressiven (Liberals), um ihrer Majestät loyalen Opposition beizutreten, weil es das Wohl Kanadas erfordere. Die Trudeau-Partei gefährde ihr Land.

    Gratulieren wir Frau Alleslev, die übrigens Offizier a.D. ist, zu ihrem Schritt, und blicken wir voll Neides auf eine Parlamentskultur, die einen solchen Schritt in Würde zu vollziehen erlaubt – hier.

  • |

    Simpsons Paradox

    Es wird gern behauptet, daß das Haushaltseinkommen der Mittelklasse ökonomisch stagniere, um daraus – natürlich! – Argumente gegen den bösen, bösen Kapitalismus zu drechseln. Dieses äußerst interessante Video verdeutlicht, wie wichtig es ist, soziologische Faktoren in das Bild aufzunehmen: es wird heutzutage weniger häufig geheiratet, dazu häufiger die Scheidung gesucht. Das wirkt sich unweigerlich auf die Statistik aus. Nehmen wir zwei Haushalte mit je zwei Verdienern, die alle vier ein ähnliches Einkommen haben. Kommt es in einem dieser Haushalte zur Scheidung, verfügen die beiden neu entstehenden Single-Haushalte über geringere Einkünfte als der verbleibende Haushalt mit zwei Verdienern.  Und das natürlich auch, wenn jeder dieser vier Verdiener sein individuelles Einkommen in den letzten Jahren um, sagen wir, zwanzig Prozent (inflationsbereinigt) gesteigert hat.

    Nichts als Schwierigkeiten, meine antikapitalistisch gesonnenen Freunde. Diese verdammte Empirie…

  • |

    Hoffnung durch Menschenwitz und Kunst

    Eine britische Firma hat eine Armprothese entwickelt, die sich steuern läßt, ihrem Träger das Greifen, Halten und Fangen ermöglicht. Zudem ist sie erschwinglich, da im 3D-Printverfahren hergestellt. Schauen Sie in den Film hinein, um sich von zweierlei Freude anstecken zu lassen: von der Freude derjenigen, denen das Ding ein besseres Leben ermöglicht, und der Freude derjenigen, die das Ding entwickelt haben und weiter verbessern. Dergleichen wirkt besser als Kaffee!

  • |

    Ein freier Mann verteidigt sein Recht, Waffen zu besitzen

    Sehen Sie: dies ist Mark Robinson, ein freier Mann, der die Gesetze achtet, Bürger der USA. Hören Sie, wie er sein Recht auf Waffenbesitz verteidigt – mit den klaren, geraden Worten eines Menschen, der keine Seminare belegen mußte, um das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Er spricht für „die Mehrheit“. Und was er sagt, hat Hand und Fuß:

    Wir sind die Ersten, die mit Steuern belegt werden, und die Letzten, wo es um unsere Interessen geht; und wir sind die Ersten, die bestraft werden, wenn so etwas geschieht. (bei 1 Minute 35 Sekunden im Video)

    Und:

    Sie beschließen ein Gesetz, ich folge dem Gesetz und gebe meine Waffen ab. Und was passiert dann? Die Halb- und Unterwelt auf der anderen Seite der Stadt wird ihre Waffen behalten. (nach 1 Minute 59 Sekunden im Video)

    Wie gesagt: Mark Robinson ist ein freier Mann, der die Gesetze achtet.