Stil im Alltag

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    Nafri vs. Nazi

    In dem Kindergarten, der einstmals die Bundesrepublik Deutschland war, wird neuerdings über die Bezeichnung „Nafri“ gestritten. Sie sei rassistisch, wenigstens aber pauschalisierend.

    Ferner wurde kritisiert, daß die Polizei „südländisch“ anmutende Personen überprüft, auch festgehalten habe. Man dürfe sich nicht am Erscheinungsbild von Menschen orientieren; auch das sei rassistisch, entmenschlichend, wenigstens aber pauschalisierend.

    So also sieht er aus, der Lohn dafür, daß es der deutschen Polizei an Silvester mit viel Aufwand gelungen ist, sexuelle Übergriffe und sonstige Gewalttaten vor dem Dom in Köln und an anderen prominenten Orten zu verhindern. (Zu einschlägigen Übergriffen kam es anderswo in Deutschland und auch Österreich.)

    Wunderbar: Tust du nix, bist du Versager. Tust du was – und mit Erfolg -, bist du Rassist. Das sind die (bislang) schönsten Blüten gutmenschlicher Dialektik.

    Daß zuweilen der Eindruck von Rassismus entstehen kann, wo andere Größen wirken – kulturelle Unterschiede etwa, das Verhältnis zu Bildung und Arbeit, Achtung vor Frauen -, versteht sich dabei von selbst. Eben deshalb muß man es immer und immer wieder unterstreichen.

    Und: Das ewige Pauschalisieren gegen Pauschalisierungen langweilt. Man sollte sich eingestehen, daß Vorurteile durchaus vernünftig sein können. Es kommt lediglich darauf an, sie fallibel zu halten – d.h. sie zu revidieren, wo die Erfahrungswirklichkeit dazu Anlaß gibt.

    Darüber hinaus gilt: Seit wann haben denn all die Weltverbesserer, ob Linke oder Grüne, ein Problem mit Pauschalisierungen? Wer beschimpft Andersmeinende als „Populisten“, erhebt sich über deren „Stammtischparolen“, nennt besorgte Bürger der Bundesrepublik „Nazis“? Von „Pack“ ganz zu schweigen.

    Tu quoque, Gutmenschle!

    — Richtig, auch ich pauschalisiere. Doch habe ich eben nichts gegen Pauschalisierungen, jedenfalls nicht dort, wo keine empirischen Gründe gegen sie sprechen (s.o.).

    Aha, und natürlich pauschalisiert ebenfalls so mancher Großschriftsteller und Dichter, an dessen Lektüre sich unsere grünen und sonstigen Bessermenschen mit strahlenden Augen erinnern. Zur bête noire gereicht nur allzuoft der „Bürger“. Jedenfalls dort, wo er nicht als Volltrottel belächelt wird. Wer daran zweifelt, möge mal wieder in seiner Hesse-Ausgabe blättern.

    Pauschalisierung allerorten.

    Ups, das war schon wieder eine.

    Höchste Zeit also, erwachsen zu werden.

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    Thomas Sowell: „Diversity“ und Antisemitismus

    Der in Deutschland viel zu wenig bekannte Nationalökonom Thomas Sowell berichtet über die antisemitischen Ursprünge des Begriffs „Diversity“. Damit erhalten wir einen weiteren Grund, uns von dieser fatalen Phrase nicht irremachen zu lassen:

    Although diversity has become one of the leading buzzwords of our time, it has a history that goes back several generations. In the early twentieth century, the principle of geographic diversity was used to conceal bias against Jews in the admission of students to Harvard and other leading academic institutions.

    Because the Jewish population was concentrated in New York and other east coast communities at that time, quota limits on how many Jewish students would be admitted were concealed by saying that Harvard wanted a diverse student body, consisting of students from around the Country.

    Therefore some highly qualified Jewish applicants could be passed over, in favor of less qualified applicants from the midwest or other regions of the Country.

    Das ist: Obwohl „Diversity“ eine der vorherrschenden Kampfbegriffe unserer Zeit ist, verfügt er über eine Geschichte, die mehrere Generationen zurückreicht. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert wurde das Prinzip geographischer „Diversity“ gebraucht, um Mißgunst gegen Juden zu verdecken, die sich um die Aufnahme an die Universität von Harvard oder andere führende Hochschulen bewarben.

    Da zu jener Zeit amerikanische Juden vor allem in New York und anderen Städten an der Ostküste wohnten, wurden Quoten festgelegt, die bestimmten, wie viele jüdische Studenten zugelassen wurden. Diese Quoten wurden durch die Behauptung bemäntelt, man wünsche eine Studentenschaft, die von „Diversity“ gekennzeichnet sei, das heißt aus allen Gegenden der Vereinigten Staaten stamme.

    Mit dieser Begründung konnten einige hochqualifizierte jüdische Bewerber übergangen werden, um weniger qualifizierte Bewerber aus dem mittleren Westen oder anderen Landstrichen der USA aufzunehmen.

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    Ganz Gegenwart, stramm ideologisch

    Die deutsche Linke hat zum Autonummer-Djihad geblasen. Waren es bisher einige Buchstabenkombinationen, die auf Kfz-Kennzeichnen keine Verwendung finden sollten („HJ“, „NA-ZI“) – was als völlig angemessen gelten darf -, werden nun auch Zahlenkombinationen inkriminiert. Zum Anlaß gereicht  der Werbespot einer Lebensmittelkette, in dem nicht nur „verdächtige“ Zahlenfolgen auf Nummernschildern vorkommen, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Namen „Edda“ in die Kamera gehalten wird. Außerdem kamen zwei Buchstabenfolgen auf den Kennzeichen vor, nämlich „SO-LL“ und „MU-SS“, die verdächtig ins Deontologische und damit, wenn man unbedingt will, ins Autoritäre wiesen, und zudem eine der, wie erwähnt, zu vermeidenden Buchstabenreihungen zeigten.  Die Sache wäre eine Lachnummer, wenn, ja wenn Helldeutsche über einen gewissen Abstand zu sich selbst verfügen würden. Aber der muß ihnen irgendwo zwischen dem siebzehnten und neunzehnten Semester Sozialpädagogik verloren gegangen sein. Wie ja auch wenig Rede davon ist, daß die Macher des fraglichen Werbespots womöglich die Absicht gehabt haben könnten, dergleichen Hysterie hervorzurufen; womit denn dieses EDEKA-Filmchen ein Meisterwerk des Triggerns und Trollens wäre, darin ähnlich der Kampagne von Donald J. Trump. Jedenfalls hat keine andere Lebensmittelkette in Deutschland derzeit mehr Publicity – und dazu weitestgehend gratis.

    Wie dem auch sei, man fragt sich – oder wie einer meiner Professoren in Göttingen zu sagen pflegte: man frägt sich -, ob denn überhaupt noch Ziffern genannt geschweige denn verknüpft werden können, ohne einen Bezug auf das Böse in der Geschichte zu evozieren. Meine Wenigkeit etwa wurde an einem Achtzehnten geboren. Nun muß ich erfahren, daß die Zahl 18 auf Adolf Hitler schließen läßt, wenn man sich auf die Initialen konzentriert und deren Reihenfolge im Alphabet zugrunde legt. Du meine Güte! Was tu ich, wenn meine Frau das erfährt? Und wie erklär ich’s den Kindern?

    Freilich ist die Angelegenheit nicht ausschließlich amüsant. Der Autonummer-Djihad wird sein wenn auch nur nanometerfeines Quentchen dazu beitragen, die jüngeren Deutschen – und unter ihnen besonders die Strebsamen, Freundlichen, Empfindsamen – von ihrer Geschichte zu isolieren, indem letztere auf die zwölf Jahre unter den Nationalsozialisten eingedampft wird. So wird der Eindruck hervorgerufen, daß die Verbrechen der Jahre 1933-1945  das für jene jüngeren Deutschen schlechthin Definierende seien; es wird ein  Selbstverhältnis verhindert, das weiter in die Geschichte zurückreicht, neben Schlimmem auch Gutes findet, dazu andere, fremdgewordene Werte, Maße, Zwecke.

    Das Ergebnis: Eine Generation, deren ältesten Rückbezug der Tag der Machtergreifung Adolf Hitlers ausmacht, die also radikal präsentisch lebt. Es lassen sich kaum willigere Opfer denken, um sein Spielchen zu treiben…

    Was tun? Aus der deutschen Blase heraustreten, um zu lernen.

    In Ländern ohne Plastikflaschenpfand und Bionade sieht die historische Erinnerung so aus:

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    Wytrzymać – Aushalten

    Der Krakauer Pfarrer Wojciech Węgrzyniak erzählt eine Anekdote, die mir nicht übel gefällt:

    Na kolacji usiadłem naprzeciw starszego księdza. 45 lat kapłaństwa. W pewnym momencie mówię:

    – Jak widzę starszych księży, to im gratuluję, że wytrzymali w kapłaństwie tyle lat. Dla młodszych to jest świadectwo. Już nawet nie pytam o jakość, ale sama ilość robi wrażenie.

    Odpowiedź była krótka:

    – Nie podoba mi się słowo „wytrzymali“. Ja po to poszedłem do seminarium, żeby być księdzem, a nie żeby wytrzymywać w kapłaństwie.

    (Zum Abendessen setzte ich mich einem älteren Priester gegenüber. Fünfundvierzig Jahre Dienst als Geistlicher.

    Nach einer Weile sagte ich zu ihm: „Immer wenn ich ältere Priester sehe, gratuliere ich ihnen dafür, so viele Jahre im Priesterstand ausgehalten zu haben. Für uns Jüngere ist das ein Zeugnis. Ich frage gar nicht erst nach der Qualität, schon die Menge macht Eindruck.“

    Die Antwort war kurz: „Der Ausdruck ‚ausgehalten zu haben‘ gefällt mir nicht. Ich bin auf das Priesterseminar gegangen, um Priester zu werden, nicht deshalb, weil ich es als Geistlicher ‚aushalten‘ wollte.“)

    Bild: Sankt-Annen-Kirche in Krakau. Quelle: Zbiory Specjalne, Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie. Własność: Polska Akademia Umiejętności. Prawa autorskie: Utwór w domenie publicznej.

  • The Return to Civilised Teaching, or: „Look on my works, ye Apparatchiks, and despair!“

    Roger Scruton:

    Buckingham is a unique institution, probably the least politically correct university in Europe, and one that is organized more or less entirely on business principles, paying people like me according to their success in attracting students. […] Founded by Margaret Thatcher, Buckingham was at first more a business school than a fully developed university. Now it has a growing and successful humanities faculty, and takes advantage of the Charter which some neglectful bureaucrat allowed it to obtain in order to validate degrees at both undergraduate and postgraduate level. It is expanding its presence in London, with the use of a building in Gower Street and the possibility of obtaining a permanent home in the centre, within mortar range of the BBC. My own course takes place in a private dining room at a London Club, where the students can enjoy discussion and wine over dinner, supplemented by private tutorials leading to a written thesis on a topic agreed between us. This return to civilised teaching, of people who are really interested in learning, has been a refreshing experience for me, and the success of the first year has encouraged me to offer the course again for the year to come.

    (Bild: Pressematerial auf der Homepage von Roger Scruton, Ausschnitt.)