|

Ganz Gegenwart, stramm ideologisch

Die deutsche Linke hat zum Autonummer-Djihad geblasen. Waren es bisher einige Buchstabenkombinationen, die auf Kfz-Kennzeichnen keine Verwendung finden sollten („HJ“, „NA-ZI“) – was als völlig angemessen gelten darf -, werden nun auch Zahlenkombinationen inkriminiert. Zum Anlaß gereicht  der Werbespot einer Lebensmittelkette, in dem nicht nur „verdächtige“ Zahlenfolgen auf Nummernschildern vorkommen, sondern auch ein Kinderbuch mit dem Namen „Edda“ in die Kamera gehalten wird. Außerdem kamen zwei Buchstabenfolgen auf den Kennzeichen vor, nämlich „SO-LL“ und „MU-SS“, die verdächtig ins Deontologische und damit, wenn man unbedingt will, ins Autoritäre wiesen, und zudem eine der, wie erwähnt, zu vermeidenden Buchstabenreihungen zeigten.  Die Sache wäre eine Lachnummer, wenn, ja wenn Helldeutsche über einen gewissen Abstand zu sich selbst verfügen würden. Aber der muß ihnen irgendwo zwischen dem siebzehnten und neunzehnten Semester Sozialpädagogik verloren gegangen sein. Wie ja auch wenig Rede davon ist, daß die Macher des fraglichen Werbespots womöglich die Absicht gehabt haben könnten, dergleichen Hysterie hervorzurufen; womit denn dieses EDEKA-Filmchen ein Meisterwerk des Triggerns und Trollens wäre, darin ähnlich der Kampagne von Donald J. Trump. Jedenfalls hat keine andere Lebensmittelkette in Deutschland derzeit mehr Publicity – und dazu weitestgehend gratis.

Wie dem auch sei, man fragt sich – oder wie einer meiner Professoren in Göttingen zu sagen pflegte: man frägt sich -, ob denn überhaupt noch Ziffern genannt geschweige denn verknüpft werden können, ohne einen Bezug auf das Böse in der Geschichte zu evozieren. Meine Wenigkeit etwa wurde an einem Achtzehnten geboren. Nun muß ich erfahren, daß die Zahl 18 auf Adolf Hitler schließen läßt, wenn man sich auf die Initialen konzentriert und deren Reihenfolge im Alphabet zugrunde legt. Du meine Güte! Was tu ich, wenn meine Frau das erfährt? Und wie erklär ich’s den Kindern?

Freilich ist die Angelegenheit nicht ausschließlich amüsant. Der Autonummer-Djihad wird sein wenn auch nur nanometerfeines Quentchen dazu beitragen, die jüngeren Deutschen – und unter ihnen besonders die Strebsamen, Freundlichen, Empfindsamen – von ihrer Geschichte zu isolieren, indem letztere auf die zwölf Jahre unter den Nationalsozialisten eingedampft wird. So wird der Eindruck hervorgerufen, daß die Verbrechen der Jahre 1933-1945  das für jene jüngeren Deutschen schlechthin Definierende seien; es wird ein  Selbstverhältnis verhindert, das weiter in die Geschichte zurückreicht, neben Schlimmem auch Gutes findet, dazu andere, fremdgewordene Werte, Maße, Zwecke.

Das Ergebnis: Eine Generation, deren ältesten Rückbezug der Tag der Machtergreifung Adolf Hitlers ausmacht, die also radikal präsentisch lebt. Es lassen sich kaum willigere Opfer denken, um sein Spielchen zu treiben…

Was tun? Aus der deutschen Blase heraustreten, um zu lernen.

In Ländern ohne Plastikflaschenpfand und Bionade sieht die historische Erinnerung so aus:

Mehr lesen „Ganz Gegenwart, stramm ideologisch“
Wytrzymać – Aushalten
|

Wytrzymać – Aushalten

Der Krakauer Pfarrer Wojciech Węgrzyniak erzählt eine Anekdote, die mir nicht übel gefällt:

Na kolacji usiadłem naprzeciw starszego księdza. 45 lat kapłaństwa. W pewnym momencie mówię:

– Jak widzę starszych księży, to im gratuluję, że wytrzymali w kapłaństwie tyle lat. Dla młodszych to jest świadectwo. Już nawet nie pytam o jakość, ale sama ilość robi wrażenie.

Odpowiedź była krótka:

– Nie podoba mi się słowo „wytrzymali“. Ja po to poszedłem do seminarium, żeby być księdzem, a nie żeby wytrzymywać w kapłaństwie.

(Zum Abendessen setzte ich mich einem älteren Priester gegenüber. Fünfundvierzig Jahre Dienst als Geistlicher.

Nach einer Weile sagte ich zu ihm: „Immer wenn ich ältere Priester sehe, gratuliere ich ihnen dafür, so viele Jahre im Priesterstand ausgehalten zu haben. Für uns Jüngere ist das ein Zeugnis. Ich frage gar nicht erst nach der Qualität, schon die Menge macht Eindruck.“

Die Antwort war kurz: „Der Ausdruck ‚ausgehalten zu haben‘ gefällt mir nicht. Ich bin auf das Priesterseminar gegangen, um Priester zu werden, nicht deshalb, weil ich es als Geistlicher ‚aushalten‘ wollte.“)

Bild: Sankt-Annen-Kirche in Krakau. Quelle: Zbiory Specjalne, Biblioteka Naukowa PAU i PAN w Krakowie. Własność: Polska Akademia Umiejętności. Prawa autorskie: Utwór w domenie publicznej.

The Return to Civilised Teaching, or: „Look on my works, ye Apparatchiks, and despair!“

The Return to Civilised Teaching, or: „Look on my works, ye Apparatchiks, and despair!“

Roger Scruton:

Buckingham is a unique institution, probably the least politically correct university in Europe, and one that is organized more or less entirely on business principles, paying people like me according to their success in attracting students. […] Founded by Margaret Thatcher, Buckingham was at first more a business school than a fully developed university. Now it has a growing and successful humanities faculty, and takes advantage of the Charter which some neglectful bureaucrat allowed it to obtain in order to validate degrees at both undergraduate and postgraduate level. It is expanding its presence in London, with the use of a building in Gower Street and the possibility of obtaining a permanent home in the centre, within mortar range of the BBC. My own course takes place in a private dining room at a London Club, where the students can enjoy discussion and wine over dinner, supplemented by private tutorials leading to a written thesis on a topic agreed between us. This return to civilised teaching, of people who are really interested in learning, has been a refreshing experience for me, and the success of the first year has encouraged me to offer the course again for the year to come.

(Bild: Pressematerial auf der Homepage von Roger Scruton, Ausschnitt.)

Nebenlernziele
|

Nebenlernziele

Eine von vielen kleinen und durchaus wertvollen Websites, deren Betreiber Oberschülern praktische Tips und Hinweise geben, erklärt das Wesen der linearen Erörterung mit diesen Worten:

Unumstrittene Fragestellungen, die bereits einen klaren Standpunkt beziehen („Was ist an Atomkraftwerken so gefährlich?“), weisen auf die Methode der linearen Erörterung hin. […]

Folgendes Beispiel illustriert eine mögliche Einleitung zum Thema „Was ist an Atomkraftwerken so gefährlich?“

Aus über 70 Jahren Kernkraftenergie sind Tschernobyl und Fukushima nur die Spitze eines Eisbergs von Atomunfällen. Fast drei Dutzend kritische Zwischenfälle dokumentieren die Gefährlichkeit und Unbeherrschbarkeit, die von Atomkraftwerken ausgeht.  Doch was macht Atomkraftwerke im Detail so gefährlich?

Ach, diese ideologische Einförmigkeit! Wie abgestanden! Warum zäumen wir das Pferd nicht einmal so auf:

Das folgende Beispiel illustriert eine mögliche Einleitung zum Thema „Weshalb sind Atomkraftwerke ungefährlich?“

Jeder kennt die Bilder aus Tschernobyl und Fukushima. Dennoch muss festgestellt werden, dass Atomkraftwerke in vielen Ländern der Welt schon viele Jahrzehnte ohne größere Probleme funktionieren und Strom liefern, ohne Treibhausgase zu produzieren. Was sind die Gründe für diese Erfolgsgeschichte?

Zu positiv, offenbar. Um die Sache einmal aus der Deutsch-als-Fremdsprache-Perspektive zu betrachten: Vielleicht würden mehr Menschen die deutsche Sprache erlernen wollen, wenn das Unterrichtsmaterial sich nicht so häufig in Katastrophen, Problemen und Problemchen suhlen würde? Ganz unabhängig von der Frage, ob diese Katastrophen, Probleme und Problemchen real oder auch nur zusammenspintisiert seien.

Bitte? Sie haben recht. Es ist nicht nur das Unterrichtsmaterial.

|

„Milchkrise“

Die Deutschen und ihr Sozialismus stolpern von einer Krise in die nächste. Nun also die „Milchkrise“. In einer Publikation mit dem sinnfällig-selbstreflexiven Namen „Die Steckrübe“ (September 2016), die einer norddeutschen Regionalzeitung beigefügt wird, heißt es:

Der Milchmarkt ist überflutet, der Milchpreis im Keller. Nach dem Wegfall des Quotensystems als Mengenschranke ist viel zu viel Milch auf den Märkten.

Je nun, das sollte der Markt – meinethalben die Märkte – selber regeln können. Man müßte recht eigentlich nichts tun. Das aber kommt in Deutschland nimmer in Frage:

Das Bundeslandwirtschaftsministerium will […] die im Juli von der EU-Kommission bereit gestellten EU-Hilfen von  58 Millionen Euro für Deutschland auf 116 Millionen Euro aufstocken. [….] Um die Milchmenge in Deutschland zu reduzieren und damit den Preisverfall zu stoppen, soll jetzt ein Bonus einen Anreiz bieten, die Produktion zu drosseln. „Wer seine Milchmenge von Oktober bis Dezember 2016 unter die entsprechende Vorjahresmenge senkt, soll 14 Cent je Kilogramm Mindermenge erhalten,“ informiert der Beverstedter Beratungsringleiter […].

Wir bezahlen unsere Bauern für die Nicht-Produktion von Milch. Das ist nur konsequent: Wir bezahlen unsere Schulen dafür, daß kaum noch etwas gelehrt wird; lassen funktionsfähige Atomkraftwerke sinn- und zwecklos in der Landschaft herumstehen, die wir so gründlich verspargelt haben, daß man sie kaum noch sieht; finanzieren Institutionen, die unsere Freiheit und Sicherheit gewährleisten sollen, ihre Pflicht aber aus ideologischen Gründen vernachlässigen.

Verkauft Eure Kühe, Jungs.

Seiten-Harmonie

Seiten-Harmonie

Hochinteressanter Artikel über die Frage, wie man harmonische Buchseiten baut. Auch für Zeitschriften-Artikel zu gebrauchen. Mehr bei Retinart.