Milliardär sein?

Milliardär sein?

Mancher träumt davon, so reich zu sein wie Elon Musk. Das wirkt verständlich. Jeder könnte die eine oder andere Milliarde gebrauchen. Was dabei aber zumeist unberücksichtigt bleibt, ist das Arbeitspensum, die Auslastung (neudeutsch: Workload) solcher Leute. Wie Ben Carlson auf seinem Blog ausführt, arbeitet Musk sieben Tage die Woche von morgens bis abends. Zur Hochzeit seines Bruders – Musk war als Trauzeuge vorgesehen – flog er direkt von der Arbeit, um nach der Eheschließung sofort zum Tesla-Hauptquartier zurückzukehren. Die riesige Arbeitsbelastung geht auf Kosten von Gemahl, Kindern, Freunden und Bekannten. Es bleibt kaum Zeit, sie zu sehen:

The 10 richest men in the world have a combined 12 divorces between them.

(Die zehn reichsten Männer der Welt haben es zusammen auf zwölf Scheidungen gebracht.)

Nun haben Scheidungen vielerlei Gründe. Es geht hier nicht um ein ressentimentbefeuertes Argument des Zuschnitts „Siehst Du?! Das hast Du nun davon! Wärst Du nur bescheiden geblieben…“

Denn wichtig scheint vor allem dies: Die Vorstellung, der typische Milliardär sitze den lieben langen Tag in seiner Bibliothek, auf seiner Terasse oder dem Sonnendeck seiner Jacht, eine dicke Zigarre nach der anderen rauchend und am Sherry, Whisky oder anderen Hochpreis-Spirituosen nippend, während die Dividenden leise tickern (und die Welt unterdrückt wird), zählt zu den weniger geistreichen Elementen westlicher Folklore.

(Bild: Pixabay, bearbeitet.)

Henryk Haufa

Są ludzie, dla których – niezależnie od epoki – duch czasu ma jednakową postać. Przełożonego.

(Es gibt Leute, für die der Zeitgeist – unabhängig von der Epoche – ein und dieselbe Gestalt hat. Die des Vorgesetzten.)

Henryk Haufa, in: Joachim Glensk (Hrsg.), Współczesna aforystyka polska. Antologia 1945–1984, Łódź 1986, S. 133

Relativsätze

Es gibt Vertreter der geisteswissenschaftlichen Zunft, die (sic!) Relativsätze zu sehr mögen. Sie neigen dazu, zwei Informationen in einen Relativsatz zu packen. Etwa so:

Kolumbus, der aus Italien stammte und die spanische Königin als Gönnerin gewonnen hatte, fuhr nach Westen, um Indien zu erreichen.

In besonders gravierenden Fällen wird das Relativpronomen gedoppelt:

Kolumbus, der aus Italien stammte und der die spanische Königin als Gönnerin gewonnen hatte, fuhr nach Westen, um Indien zu erreichen.

Oder noch verquaster, denn es gibt ja mehr als einen Kasus:

Kolumbus, der aus Italien stammte und dem es gelungen war, die spanische Königin als Gönnerin zu gewinnen, fuhr nach Westen, um Indien zu erreichen.

Unlust oder Unvermögen? Das ist eine Frage, die hier nicht erörtert werden kann und die hier nicht erörtert werden soll…

Klimaneutral übernachten

Klimaneutral übernachten

Ein küstennah gelegenes Hotel offeriert, man könne dort „klimaneutral“ übernachten. Will ich das? Es könnte amüsieren, am Frühstücksbuffet oder in der Hotelbar den Gesprächen der Guten und Aufgeklärten zu lauschen. Freilich schiene mir ein Aufenthalt in einem Hotel mit dem Claim „garantiert klimaschädlich“ lohnender. Was sich da einfindet, weiß mehr. Und führt die geistreicheren Gespräche. Selbst wenn es in Klima-Dingen irren sollte.

(Bild: Pixabay.)

Vom Popanz „Relevanz“
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Vom Popanz „Relevanz“

Die Chefdirigentin eines Symphonieorchesters im Osten der USA hat befunden, daß Beethovens 9. Symphonie so, wie sie ist, nicht mehr „relevant“ sei, und darum den Text des letzten Satzes – Schillers An die Freude – ändern lassen, außerdem musikalische Ergänzungen zwischen den drei ersten Sätzen vorgenommen:

I tried to insert music that was culturally relevant to the location where I’m doing it. Here in Baltimore, between the first and second movements, I have African drumming. Just three minutes.

(Ich habe versucht, Musik einzufügen, die für den Aufführungsort relevant ist. Hier in Baltimore sind es zwischen dem ersten und zweiten Satz afrikanische Trommeln. Gerade einmal drei Minuten.)

David P. Goldman bemerkt dazu:

This is idiotic in more ways than I can list. What does it mean to be relevant? A woman once remarked to Rabbi Abraham Joshua Heschel that the prayer book didn’t seem relevant to her, to which Heschel responded that the point was to make herself relevant to the prayer book. Schiller was one of the universal geniuses who defined our era, and our job is to make ourselves relevant to him.

(Das ist in vielfacher Hinsicht idiotisch. Was bedeutet „Relevanz“ hier? Eine Frau bemerkte einmal zu Rabbi Abraham Joshua Heschel, daß ihr das Gebetbuch nicht relevant scheine, worauf Heschel erwiderte, daß es eben darauf ankomme, sich selbst für das Gebetbuch relevant zu machen. Schiller war eines der Genies, die unser Zeitalter bestimmen, und unsere Aufgabe besteht darin, uns für ihn relevant zu machen.)

(Bild: Grab von E. A. Poe in Baltimore, Maryland, im Jahr 1896. Aus den Sammlungen der Library of Congress. No known restrictions on publication.)

Von Leuten, die den Pranger fürchten, läßt sich nichts lernen
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Von Leuten, die den Pranger fürchten, läßt sich nichts lernen

Bemerkenswerter Artikel in The Atlantic über verschiedene Übel, darunter nicht zuletzt eine allgemeine Verdummung, welche Social Media hervorrufen. Zur Wurzel des Elends gereiche, so Jonathan Haidt, deren Share– oder Retweet-Funktion. Die beständige Shitstorm-Drohung führe u.a. dazu, daß Studenten an den Universitäten kaum noch Bildung vermittelt würde, die den Namen verdient, weil die allermeisten Dozenten fürchteten, etwas auch nur annähernd Kontroverses zu äußern.

(Bild: Daniel Defoe is standing in the pillory while soldiers have to restrain crowds from throwing flowers at him. Wood engraving. Wellcome Collection, gemeinfrei.)

Verdächtige Einigkeit
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Verdächtige Einigkeit

Die – wie sollen wir’s nennen? – Maßnahmen gegen Anna Netrebko und Valerij Gergiev zeugen nicht von edler Gesinnung. Sondern von einem Ressentiment gegen unglaublich talentierte Musiker. Und einer gewissen Meutenmentalität.

Denn natürlich kann man, wenn man die entsprechenden Apparatschik-Befugnisse hat, die Gunst (und den Dunst) der Stunde nutzen und sich per Fingerschnalzen und Schikane gegen in beiderlei Sinne des Wortes hervorragende, also auch exponierte Künstler als besonders „moralisch“ hervortun, um sich – für einen Augenblick irriger Selbstgerechtigkeit wenigstens – zu den „Guten“ und „Gerechten“ zu zählen.

Was man jedoch nicht kann, das ist: sich per Fingerschnalzen in einen unglaublich talentierten Musiker zu verwandeln.

Beitragsbild: Geburtshaus des Komponisten Peter Tschaikowski (Petr I. Čajkovskij) in Votkinsk, Udmurtien, Russische Föderation (Wacher98, Wikimedia Commons).