Vom Reiz des Verbietens
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Vom Reiz des Verbietens

Fritz Vahrenholt macht darauf aufmerksam, daß der auf 130 bis 225 Milliarden Euro Kosten geschätzte Wärmepumpen-Einbauzwang selbst dann unnötig ist, wenn man sich die Klimaschutz-Agenda zu eigen macht. „Nicht-zielführend“, wie es im Jargon der Gremienprofis heißt.

Vahrenholt konkretisiert: Werden bis 2030 sechs Millionen Wärmepumpen eingebaut, sind rund 150 Milliarden Euro zu veranschlagen – für eine Verminderung des Kohlendioxid-Ausstoßes in der Bundesrepublik von 10,4 Millionen Tonnen. Er kommentiert:

Eine ähnliche CO2-Verminderung würde man erreichen, wenn man ein einziges Braunkohlekraftwerk mit CO2-Abscheidung ausrüsten würde. Das Kraftwerk Schwarze Pumpe emittiert etwa 12 Millionen Tonnen CO2 und würde mit einer Investition von 600 Millionen Euro CO2-frei. Pro Tonne CO2 sind das 50 Euro an Investitionskosten.

Der letztgenannte Wert ist mit dem Ergebnis des Wärmepumpen-Experiments zu vergleichen:

14.423 Euro (150 Milliarden Euro geteilt durch 10,4 Mio. t CO2).

Die Angelegenheit zeigt wieder einmal: Unseren Grünen geht es nicht um eine praktikable Lösung von Problemen – sofern man, was hier zugestanden sei, den Kohlendioxid-Ausstoß überhaupt als Problem ansehen möchte. Es geht ihnen ums Prinzip. Und dieses Prinzip heißt: Freude am Verbieten.

Freude am Verbieten. Sie ist im Privaten, Beruflichen und in der Politik zu verwirklichen, je nach Anspruch und Zugriff. Vom „gesellschaftlichen Engagement“ eines talentlosen Teenagers, der seinen Altersgenossen Frohsinn und Begabung neidet, über die Ernährungsregeln einer verbissenen Öko-Mama – „nenn mich Tanja, Kind“ – und, am Arbeitsplatz, Kampagnen des Zuschnitts „… ohne Plastik“ bis hin zu radikalem Durch-, Hinein- und Kaputtregieren, das von den Eigentumsrechten der Bürger nichts wissen will und deren Lebensleistung vernichtet.

Freude am Verbieten ist Freude an Verelendung und Untergang – erst der anderen, dann seiner selbst. Ginge es unseren Grünen tatsächlich um die Abwendung drohender Übel, würde nicht von Wärmepumpen, sondern von Kohlendioxid-Abscheidungen für Kohlekraftwerke und von neuen Kernkraftwerken die Rede sein.

Freude am Untergang. Bis zum Letzten konsequent. Vielleicht traben deshalb die Stabreime an: Wärme-Wende, Heizungs-Hammer, Wärmepumpen-Wahn…

(Bild: Unsplash.com.)

Marktversagen?

Marktversagen?

So sympathisch Sahra Wagenknechts Rede vom September 2022 im Deutschen Bundestag mit ihrer Aufforderung an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, doch bitte zurückzutreten, gewirkt haben mag und im Lichte des sich verschlimmernden Energiewende-Wahnsinns – Heizungen, Mitbürger, sie gehen Euch an die Heizungen – weiterhin wirkt, enthält sie eine Unstimmigkeit, auf die im Rückblick aufmerksam gemacht werden sollte.

Wagenknecht nennt die „Energiepreisexplosion“ (nach 1 Minute, 9 Sekunden) ein „Ergebnis der Politik“ (nach 1 Minute, 30 Sekunden). Das ist unstrittig. Später jedoch spricht sie von einem „Marktversagen“ (nach 2 Minuten, 1 Sekunde), welches sich im Absahnen großer Mineralölkonzerne zeige. Und das ist natürlich Unsinn, weil die für die gegenwärtige Energiekosten-Katastrophe verantwortlichen Rahmenbedingungen nicht vom Markt, sondern, wie Wagenknecht selbst eine halbe Minute zuvor eingeräumt hat, von einer irrationalen, durchideologisierten Politik vorgegeben werden.

Summa summarum: Vorsicht mit den Antikapitalisten, selbst wenn sie freundlich wirken. Marktfeindschaft führt sie in die Irre – und auch ihr Publikum, wenn es nicht achtgibt. Marktfeindschaft verrät Freiheitsfeindschaft.

(Bild: Flüssiggas-Tanker, Aufnahme von Kees Torn, Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 2.0.)

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„Wann sind Sie denn falsch abgebogen?“

Wer dem ökologistisch-kollektivistischen Konsens der Berliner Republik skeptisch gegenübersteht, dürfte diese Frage schon gehört haben. Sie wird für gewöhnlich in väterlich-besorgtem Ton vorgetragen, um die unterliegende Borniertheit zu kaschieren. Denn natürlich geht es gar nicht darum, falsch abgebogen zu sein. Sondern darum, überhaupt abgebogen zu sein. Fort von der Kollektivismus-Klippe, dem Öko-Abgrund, auf den sie zulaufen, die Lemminge.

777 Millionen

Der Ausbau des Bundeskanzleramts in Berlin soll mehr als eine dreiviertel Milliarde Euro kosten. Es wäre anständig gewesen, vom Ausbau des ohnehin gewaltigen – und bestürzend häßlichen – Bundeskanzleramts abzusehen und den Betrag den von galoppierender Inflation geplagten Bürgern in geeigneter Form zu erstatten. Natürlich wäre der Betrag per Bürger eher symbolischer Natur, aber für eins-zwei Burger dürfte er reichen. Aus Rindfleisch, versteht sich. Die Insektenburger können warten.

Nicht bloß anständig, sondern auch umsichtig wäre es gewesen, schon vor geraumer Zeit damit begonnen zu haben, wenigstens eine Ursache der Inflation zu bekämpfen, die zu bedeutendem Anteil als Grünflation bezeichnet zu werden verdient, weil sie aus ideologisch motivierter Brennstoff-Verknappung erwächst. Man hätte seine teutonisch verbiesterte, neuheidnisch unterfütterte Feindschaft gegen Kohle, Erdöl und Erdgas überwinden können. Ein wenig Fracking könnte ebenfalls nicht schaden, oder? Die große Gaia wird Euch nicht gleich zürnen, dessen bin ich sicher.

Nicht bloß anständig und umsichtig, sondern zudem ein achtenswerter Ausdruck von Lernfähigkeit wäre es gewesen, Kernkraftwerke nicht mehr unbesehen für Teufelszeug zu halten. Wir brauchen unsere noch betriebsfähigen Kernkraftwerke. Und wir brauchen mehr Kernkraftwerke. Laßt uns, Landsleute, den Windmühlen-Wahn beenden. Sich in unverspargelter Landschaft zu ergehen, welch ein Segen…

Aber zurück zum Bundeskanzleramt. Denn nicht bloß anständig, umsichtig und ein Ausdruck von Lernfähigkeit, sondern auch ein Zeichen von Weisheit in Staatsdingen – von Staatskunst im tieferen Sinne des Wortes – wäre es gewesen, die Idee eines noch riesenhafteren Kanzleramtsgebäudes von vornherein als das zu verwerfen, was sie ist: Symptom eines gewucherten, wuchernden Staates, der alles und jedes regeln will, den Bürger „betreut“ (Helmut Schelsky) und verzwergt.

Klimaneutral übernachten

Klimaneutral übernachten

Ein küstennah gelegenes Hotel offeriert, man könne dort „klimaneutral“ übernachten. Will ich das? Es könnte amüsieren, am Frühstücksbuffet oder in der Hotelbar den Gesprächen der Guten und Aufgeklärten zu lauschen. Freilich schiene mir ein Aufenthalt in einem Hotel mit dem Claim „garantiert klimaschädlich“ lohnender. Was sich da einfindet, weiß mehr. Und führt die geistreicheren Gespräche. Selbst wenn es in Klima-Dingen irren sollte.

(Bild: Pixabay.)

Zur Sprache der Berliner Republik. Michael Esders‘ „Sprachregime. Die Macht der politischen Wahrheitssysteme“

Zur Sprache der Berliner Republik. Michael Esders‘ „Sprachregime. Die Macht der politischen Wahrheitssysteme“

ORBIS LINGUARUM 54 (2021) – PDF

Michael Esders analysiert Deformation und Dienstbarmachung der Sprache in der Bundesrepublik Deutschland der vergangenen zwei Jahrzehnte. Seine Studie möchte zeigen, daß eine Reihe sprachlicher Kniffe in der Politik, den Medien und an den Universitäten dazu beiträgt, dem Souverän eine selbstzerstörerische Migrations- und wohlstandsvernichtende Umweltpolitik akzeptabel zu machen, allgemeiner gesprochen: die demokratische Willensbildung soweit zu manipulieren, daß deren Klassifikation als ‚postdemokratisch‘ kaum überzogen wirkt. Der mit einer Arbeit über literarische Formen der Philosophie promovierte Autor nennt diesen Prozeß und dessen Ergebnis „Sprachregime“.

Esders beruft sich gleich zu Beginn auf Victor Klemperers berühmtes Buch über die Sprache des Dritten Reiches:

Der gegenbildlichen Identität und Staatsräson der Bundesrepublik entsprechend, hat sich eine LTI mit umgekehrten Vorzeichen ausgebreitet. Die Sprache wurde zu dem, was ihre emanzipatorischen Leitbegriffe am entschiedensten negieren. Sie konnte es werden, weil sie […] das ‚Nie wieder‘ so ausstellt, dass niemand die Offensichtlichkeit des ‚Wieder‘ wahrnehmen muss. (S. 8)

Dieses „Wieder“ ist ein von vielen Bundesbürgern wahrgenommener Mangel an Gedankenfreiheit bei ideologischer Gängelung, eine heute nicht mehr feldgraue oder braune, sondern „bunttümelnde Eintönigkeit“ (ebd.), wobei „bunt“ natürlich die Voraussetzungen und Auswirkungen einer multikulturellen und auf dem Felde der Sexualmoral nicht mehr von überkommenen Vorstellungen geprägten Gesellschaft meint. 

Nun dürften sowohl Esders‘ politische Voraussetzungen, als auch die Selbstverständlichkeit, mit der er seine Abhandlung in die Tradition Klemperers stellt, Teile des gebildeten Publikums abschrecken. Die Lektüre sei dennoch empfohlen. Esders‘ dreiteilige Studie – sie enthält die Abschnitte „Wahrheitssysteme“, „Narrative der Hypermoral“, „Matrix der Differenz“ – zeichnet sich durch gepflegte, nicht selten elegant zugespitzte und zumeist solide fundierte Argumente aus. Von Dumpfheit, Ressentiment oder der Freude an Verschwörungstheorien ist in der Theodor W. Adorno, Emmanuel Lévinas, Hermann Lübbe u.a. streifenden Studie wenig zu spüren. Die eingangs getroffene Feststellung über Kniffe sprachlicher Art impliziert ja keinesfalls, daß diese Kniffe durch eine Instanz zentral geplant oder gesteuert seien; spontane Koalitionen, zweckbestimmte, auch konkurrierende und widerstreitende Allianzen sollten stets in Betracht gezogen werden.

„Wahrheitssysteme“ ist ein ungewohnter Begriff. Er stammt vom sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, der 2018 im „Zusammenhang mit den behaupteten ‚Hetzjagden‘ in Chemnitz […] von einem ‚Angriff auf unsere Wahrheitssysteme‘“ gesprochen hatte (S. 10, vgl. auch S. 24). Esders kommentiert:

Wahrheiten sind organisierbar, gibt diese Äußerung zu verstehen. […] Nur wer die Wirkungsweise solcher ‚Wahrheitssysteme‘ versteht und ihr semantisches Betriebssystem entschlüsselt, kann die Macht des Sprachregimes brechen (S. 10),

mithin, wie Esders annehmen dürfte, von postdemokratischer zu demokratischer Willensbildung zurückkehren.

Esders ist zuzustimmen, wo er eine Analyse auf der Wortebene für unzureichend hält. Die seinerseits in den Blick genommenen sprachlichen Kniffe sind oftmals logischer und epistemologischer Natur; dabei ist die solide wissenschaftstheoretische Ausbildung des Verfassers zu spüren. Die Diskussion, ob Migrantengewalt als „Einzelfälle“ und somit in politischer und staatsphilosophischer Hinsicht als irrelevant zu gelten habe, wird mit den Mitteln der Konventionalismus-Diskussion in der Wissenschaftstheorie des Kritischen Rationalismus von Karl Popper begriffen. Auch die zitierte Äußerung des sächsischen Ministerpräsidenten wird im Lichte des Konventionalismus kommentiert:

Nicht die Tötung des Daniel H. [in Chemnitz] wird als „Angriff“ gewertet, sondern die Reaktion auf diese Tat. Im System wird Wahrheit zur autopoietischen Kategorie, zur Frage optimierbarer Selbstorganisation. Was im Widerspruch zu den eigenen Sätzen und Setzungen steht, wird […] als aggressiver Akt interpretiert und kriminalisiert. […] Die Falsifikation der eigenen Thesen käme schon deshalb einer Vernichtung gleich, weil jede Behauptung Selbstbehauptung ist. (S. 25; vgl. auch S. 70)

Jeder mit der Philosophie Poppers auch nur oberflächlich Vertraute ermißt, wie vernichtend dieses Urteil über die Vernunftwilligkeit der Beteiligten ist.

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Deutschland ohne Google-Campus

Wie Michael Kreutz auf transatlantic annotations bemerkt, haben London, Warschau, Madrid, Sao Paulo, Seoul und Tel Aviv einen Google-Campus, nicht aber Berlin. Unsere glücklose Hauptstadt habe es vor drei Jahren fertig gebracht, einen solchen Campus in ihren Mauern zu verhindern – in recht unflätiger Weise übrigens. Der Software-Gigant möchte bis auf Weiteres kein derartiges „Inspirationszentrum für Startup-Gründer, die Google früh an sich binden will“ (Kreutz), in Deutschland betreiben.

Nun mag man von Google halten, was man will. Daß Google sich woke geriert, seine Suchmaschine entsprechend kalibriert, darf als allgemein bekannt gelten; es schlug im Falle James Damores einige Flocken. Der woke-pädagogische Einschlag Googles wurde von Douglas Murray in seinem Buch The Madness of Crowds (2019) ausführlich besprochen. Das aber ist etwas anderes als die naßforsche Kapitalismus-Feindschaft in vielen Kiezen der Bundeshauptstadt. Kreutz kommentiert:

Berlin ist zu einem wahren Soziallabor geworden, in dem wir das Deutschland der Zukunft aufleuchten (und vielleicht schon bald verlöschen) sehen.

Zweifellos. Aber immerhin sind wir Marktführer in Lastenfahrrädern – oder werden es bald sein.