Der Bezug auf das Volk ist nicht völkisch

Wichtige Klarstellungen von Gerd Held. Wie konnte es, fragt er, so weit kommen, dass Bürger und Bürgerinnen der Bundesrepublik Deutschland für „rechts“, das ist: rechtsradikal, rechtsextrem, rassistisch, verfassungs- und freiheitsfeindlich erklärt werden, wenn sie sich auf das deutsche Volk beziehen – einen Begriff, der in der Verfassung ihres Landes nicht lediglich bloß vorkommt, sondern eine im Wortsinne grundlegende Rolle spielt:

Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.

Dieser Satz ist der erste Satz der Präambel des Grundgesetzes des wiedervereinigten Deutschland. Es steht dort weder „die Bevölkerung“ noch „die Gesellschaft“, sondern „das Volk“. Ihm wird die „verfassungsgebenden Gewalt“ zugeschrieben.

Einen Verfassungsstaat ohne Staatsvolk gibt es nicht. Denn es ist keine demokratische Legitimität ohne ein bestimmtes, abgrenzbares Volk denkbar. „Legitimität“ ist dabei keine bloße Sonntagsformel. Es geht um die Bindungsstärke und Allgemeinverbindlichkeit von Verfassung und Gesetzen. Diese kommt ohne den Begriff des Volkes (als Begriff einer begrenzten Allgemeinheit) nicht aus. Der Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes ist in dieser Hinsicht eindeutig. Er umfasst vier Absätze:

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Damit ist das Volk ein Bestandteil unserer Verfassung und konstitutiver Bezugspunkt der Staatsgewalt (Absatz 2). Sie ist damit auch dauerhaft bindender Bezugspunkt für die gesetzgebende, die vollziehende und rechtsprechende Gewalt (Absatz 3). Entsprechend ist der Amtseid von Kanzler und Bundespräsident ausdrücklich auf das Volk bezogen. […] Im Absatz 4 wird die so definierte Grundordnung für unveräußerlich erklärt. Auch der Artikel 79, Absatz 3 macht dies noch einmal ausdrücklich in Bezug auf Art. 1 und Artikel 20. Keine politische Mehrheit, keine Mitgliedschaft in einer Staatengemeinschaft, keine Berufung auf ein religiöses Gebot (oder auf ein „ganz neues Jahrhundert“) kann sie für nichtig erklären.

[…]

Dann kam, im September 2015, die Öffnung der deutschen Grenze. Sie kam, ohne dass Deutschland und das übrige Europa gleich merkte, was hier über Nacht ins Werk gesetzt worden war: Einer millionenstarken Migrationswelle wurde der Zugang zum deutschen Staat geöffnet. Personen, die ohne vorherige Klärung ihrer Ansprüche (und überhaupt ihrer Identität) über ins Land drängten, wurden aufgenommen. Und wo bisher das Gesetz bestimmte (und jedwede Änderung der Rechtslage mit großer Aufmerksamkeit erörtert wurde), genügte auf einmal die mündliche Anordnung einer einzelnen Politikerin. Das war ein Eingriff in die Institution „Staatsvolk“. Die grundgesetzlich in ihrer Kontinuität geschützte Entwicklung des Staatsvolks der Bundesrepublik wurde zerbrochen. Ein Systembruch ersten Ranges also.

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Salome in der Deutschen Oper Berlin

Eine Kritik von Nils Gösche (Gastbeitrag)

War am 3. Februar  in der Deutschen Oper  und habe mir die neue Salome-Inszenierung von Claus Guth angesehen.

Das Orchester unter der Leitung von Alain Altinoglu war gut; da wird die Deutsche Oper immer besser. Da war genug Energie und Klangreichtum, um die wilde, schmerzend-hypnotisch-traumartige Musik von Richard Strauss angemessen wiedergeben zu können.

Eigentlich hätte Salome von Catherine Naglestad gesungen werden sollen, aber die war wegen einer Rippenprellung unabkömmlich. Stattdessen sahen wir nun die junge Allison Oakes als Salome. Sie ist eine gute Sängerin mit viel Talent, aber Salome ist noch etwas zuviel für sie. Die tieferen Passagen konnte sie nur mit viel Mühe heraushauchen und auch in den höheren Lagen fehlte einfach noch etwas Dynamik. Aber das kann ja noch werden. Im großen und ganzen ein eindrucksvoller Auftritt, besonders wenn man bedenkt, daß sie so kurzfristig eingesprungen ist.

Am besten gefielen mir die gestandenen Künstler Jeanne-Michèle Charbonnet als Herodias und Michael Volle als Jochanaan. Da gibt es gar nicht viel zu sagen, das war perfekt. Auch Burkhard Ulrich als Herodes war überzeugend, hatte aber weniger Wucht als die beiden vorgenannten.

Eine einzige Katastrophe war leider die Inszenierung von Claus Guth. Die Handlung wurde in einen Schneiderladen aus den 50er Jahren transferiert, und der wilde, blutrünstige, biblisch-heidnische Stoff wurde von Menschen in 50er-Jahre Anzügen und Kleidchen dargestellt. Der Regisseur hatte es sich in den Kopf gesetzt, Salome als eine Art zartes Pflänzchen und Opfer darzustellen, das in seiner Jugend vom bösen Herodes sexuell mißbraucht worden war, was dann ihre Handlungen erklären und entschuldigen sollte, auf »psychoanalytische Weise«, wie der gelahrte Schweizer in seinem Einführungsvortrag erläuterte.

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Klaus Lemke: Filme wie Grabsteine

Klaus Lemke: Filme wie Grabsteine

40 Jahre staatlicher Filmförderung haben dazu geführt, dass der deutsche Film schon in den siebziger Jahren auf Klassenfahrt in der Toskana hängenblieb: Unsere Filme sind wie Grabsteine. Brav. Banal. Begütigend. Goethe-Institut.

Klaus Lemke

(Bild: Pixabay, bearbeitet.)

Warum Hertha BSC nicht „sich entschuldigen“ kann
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Warum Hertha BSC nicht „sich entschuldigen“ kann

Nach den Vorkommnissen um das zweite Relegationsspiel zwischen dem Berliner Fußballverein Hertha BSC und Fortuna Düsseldorf stellt eine „Erklärung“ auf der Website des Hauptstadt-Clubs fest:

Wir entschuldigen uns deshalb offiziell und ausdrücklich für alle Verfehlungen unserer Spieler bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei den Schiedsrichtern.

Leider ist das unmöglich.

Um nicht mißverstanden zu werden: Es wäre auch unmöglich, wenn es sich um einen anderen Verein handeln würde – sagen wir Hannover 96, Bayern München oder Wisła Kraków. Denn es geht um die Sache selbst.

Man kann nicht: „sich entschuldigen“. Man kann bloß: um Entschuldigung bitten. Darum, daß der andere, dem man – willentlich oder unwillentlich – etwas angetan hat, einem verzeiht. Deshalb lautet die vollständige Formel: „Ich bitte um Entschuldigung.“ Oder schöner: „Ich bitte um Verzeihung.“ Oder dort, wo es um gravierende Verfehlungen geht: „Ich bitte um Vergebung.“ Das Bitten ist bei jeder dieser Formeln da; nicht ohne Grund.

Was für eine Gedankenlosigkeit liegt in der Formel: „Ich entschuldige mich.“! Und was für eine Eitelkeit! Man kann sich ja auch nicht selber gebären, geschweige denn erlösen.

*

Wo die Sprache hapert, verirrt sich das Denken. (Natürlich kommen hier Hayek und Konfuzius in den Sinn; aber die Sache bleibt auch ohne Hayek und Konfuzius, wie sie ist.) Die Formel „Ich entschuldige mich.“ stellt eine Verwahrlosung dar; vor der (wie ich vermute) älteren und richtigen Formel „Ich bitte um Entschuldigung.“ wirkt sie wie Lärm vor Musik, mithin ein Beispiel von Kulturverfall. Sollte es sich dabei um einen Kollateralschaden der Dechristianisierung in Deutschland handeln?

Zwanzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Bischöfe Polens anläßlich der Tausendjahrfeier des Christentums in Polen eine Botschaft an ihre deutschen Amtsbrüder gerichtet. Der entscheidende Satz darin lautet:

Wir bitten Sie, katholische Hirten des deutschen Volkes, versuchen auf Ihre eigene Art und Weise unser christliches Millenium mitzufeiern, sei es durch Gebet, sei es durch einen besonderen Gedenktag. Für jede Geste dieser Art werden wir Ihnen dankbar sein. Überbringen Sie auch, wir bitten Sie darum, unsere Grüße und Dank den deutschen evangelischen Brüdern, die sich mit uns und mit Ihnen abmühen, Lösungen für unsere Schwierigkeiten zu finden.

In diesem allerchristlichsten und zugleich sehr menschlichen Geist strecken wir unsere Hände zu Ihnen hin in den Bänken des zu Ende gehenden Konzils, gewähren Vergebung und bitten um Vergebung. Und wenn Sie, deutsche Bischöfe und Konzilsväter, unsere ausgestreckten Hände brüderlich erfassen, dann erst können wir wohl mit ruhigem Gewissen in Polen auf ganz christliche Art unser Millennium feiern. Wir laden Sie dazu herzlichst nach Polen ein.

Prosimy Was, katoliccy Pasterze Narodu niemieckiego, abyście na własny sposób obchodzili z nami nasze chrześcijańskie Millenium: czy to przez modlitwy, czy przez ustanowienie w tym celu odpowiedniego dnia. Za każdy taki gest będziemy Wam wdzięczni. I prosimy Was też, abyście przekazali nasze pozdrowienia i wyrazy wdzięczności niemieckim Braciom Ewangelikom, którzy wraz z Wami i z nami trudzą się nad znalezieniem rozwiązania naszych trudności.

W tym jak najbardziej chrześcijańskim, ale i bardzo ludzkim duchu, wyciągamy do Was, siedzących tu, na ławach kończącego się Soboru, nasze ręce oraz udzielamy wybaczenia i prosimy o nie. A jeśli Wy, niemieccy biskupi i Ojcowie Soboru, po bratersku wyciągnięte ręce ujmiecie, to wtedy dopiero będziemy mogli ze spokojnym sumieniem obchodzić nasze Millenium w sposób jak najbardziej chrześcijański.

Reihenfolge und Asymmetrie entscheiden. Nicht: „Aber ich habe mich doch entschuldigt. Und jetzt erwarte ich, daß auch der andere…“ Sondern: „Ich vergebe.“ Und dann: „Ich bitte um Vergebung.“

Es scheint, wir können davon lernen. Ob wir Jesus von Nazareth für den Messias halten oder nicht. Das Tiefe und Große strahlt auf den alltäglichen Unsinn zurück.