Vom Glauben an die Vernunft

Zbliżenia interkulturowe 9 (2011)

Dirk Maxeiners Buch „Hurra, wir retten die Welt! Wie Politik und Medien mit der Klimaforschung umspringen“ läßt sich auf (wenigstens) zwei Weisen lesen. Man kann sich auf die Schilderung des Irrationalen darin konzentrieren und verzagen. Oder sich von Maxeiners Vertrauen in Vernunft und Wissenschaft inspirieren lassen.

Die Klimadebatte kreist um die Hypothese von der anthropogenen Erderwärmung, die behauptet, daß die Kohlendioxid-Emission von Industrie, Verkehr und Haushalten das Klima in entscheidender Weise beeinflusse. Bundeskanzlerin Angela Merkel, selbst promovierte Naturwissenschaftlerin, schließt diesbezüglich jeden Zweifel aus.[1] Doch liegen die Dinge weit weniger eindeutig. Wie Maxeiner ausführt, werde die Hypothese durch die Erfahrungswirklichkeit widerlegt; zum einen wirke sich eine erhöhte Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre weit weniger auf deren Temperatur aus, als die Prognosen voraussetzen; zum anderen habe seit 2001 keine Erwärmung stattgefunden, obwohl Industrie, Verkehr und Haushalte weiterhin fossile Energieträger verbrannt haben. Vor diesem Hintergrund „bleibt vom anthropogenen Treibhauseffekt nicht mehr viel übrig.“ (S. 49)

Der zweite Teil des Buches handelt von den außerwissenschaftlichen Einflüssen auf die Klimaforschung, welche der erste Teil bewußt ignoriert hat. Dazu zählen Politik, veröffentlichte Meinung (Medien), Nichtregierungsorganisationen und leider auch das unmoralische Verhalten gewisser Wissenschaftler, wie der Skandal um die Climate Research Unit (CRU) in Großbritannien gezeigt hat. Dort wurden Daten gefälscht oder, wenn von Skeptikern angefordert, „verloren“, die Redaktionen wissenschaftlicher Zeitschriften (in wenigstens einem Fall erfolgreich) unter Druck gesetzt, dissidente Aufsätze abzulehnen. Maxeiner referiert diese Geschehnisse mit hoher Bemühung um Sachlichkeit, vermeidet es auch dort, wo er deutlich Stellung bezieht, sich zu ereifern – selbst angesichts der Machinationen um die Berichte des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Ein gestandener Wissenschaftstheoretiker wie Karl Popper, der die ethische Dimension wissenschaftlicher Tätigkeit zu betonen pflegte, hätte weit Schneidenderes zu bemerken gefunden.

Gegen Ende des zweiten Teiles macht Maxeiner das totalitäre Potential einer von wissenschaftlicher Disziplin kaum noch gebundenen Klimahysterie deutlich. Da „werden von den Medien schon mal «Klimakomissare» losgeschickt, auf dass sie nach «Klimasünden» fahnden“ (S. 176) – das heißt, eine Familie auf dem Supermarkt-Parkplatz (vermeintlich) klimaunverträglicher Einkäufe wegen vor laufender Kamera bloßstellen –, verteilt das Bundesumweltministerium 6000 käuflich erworbene DVDs mit Al Gores Film An Inconvenient Truth an deutsche Schulen; letzterer „insinuiert, Grönland könne in kurzer Zeit abschmelzen oder ein abgeschwächter Golfstrom könne aus Europa eine Art Sibirien machen. Beide Szenarien werden vom aktuellen Weltklimabericht für die absehbare Zeit praktisch ausgeschlossen.“ (S. 189) Bereits in Vor- und Grundschule werden, wie Maxeiner an Beispielen zeigt, die Kinder auf Linie gebracht.[2]

Schließlich erscheint die religiöse Dimension: Wer eine Flugreise unternimmt oder eine andere „Klimasünde“ begeht, kann bei Agenturen wie „Atmosfair“ (www.atmosfair.de) errechnen lassen, welche Kompensation angemessen wäre. Der Betrag soll in Klimaschutzprojekte investiert werden. Für Maxeiner gleicht ein solches Angebot dem Ablaßhandel, die unterliegende Ideologie einer neuen Religion, die ihren Vorgängerinnen an Strenge nicht nachsteht: „An die Stelle des Jüngsten Gerichts tritt die Klimakatastrophe, und statt Kirchtürmen ragen Windräder gen Himmel. […] Alles, was Spaß macht, ist verboten.“ (S. 191-192)

Man kann das Buch auf zweierlei Weise lesen. Die pessimistische Lesart achtet auf die vielen Beispiele irrationalen und/oder unmoralischen Handelns, die es enthält. Maxeiner warnt zu Recht davor, daß sich viele Deutsche – wiederum! – einer Bewegung anheimgeben, deren totalitärer und quasi-religiöser Charakter nicht geleugnet werden kann. Ökologismus und Liberale Demokratie („Offene Gesellschaft“) sind unvereinbar.

Die optimistische Lesart hingegen erkennt in Maxeiners Buch ein Loblied auf die kritische Vernunft, wie sie Wissenschaft voraussetzt, verkörpert und befördert. Einige Passagen lesen sich, als habe man ein Kompendium der Wissenschaftstheorie Popperscher Prägung vor sich. Maxeiner fordert die Reproduzierbarkeit von Versuchsergebnissen ein, beklagt die Immunisierung von Theorien, das heißt logische Kniffe, durch die deren empirische Widerlegung verhindert wird. Er sieht die prominenteste Theorie der Klimaforschung – die Hypothese von der anthropogenen Erderwärmung – als falsifiziert an und stellt mit den Ideen des israelischen Astrophysikers Nir Shaviv eine alternative Hypothese vor, deren heuristisches Potential dasjenige ihrer Mitstreiterinnen weit übertrifft – ein Fall von Theorienkonkurrenz, der in künftigen Wissenschaftstheorie-Lehrbüchern als „klassisch“ beschrieben werden dürfte. Maxeiner vertraut diesen logischen Mechanismen zur Sonderung von Irrtum und möglicher Wahrheit, und das macht sein Buch zu einer tröstlichen, ja ermutigenden Lektüre. Sein Credo: „Die Mühlen der Wissenschaft mögen langsam mahlen, aber sie mahlen eben doch.“ (S. 114)

Anmerkungen

[1] Vgl. Angela Merkel, „Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Stanford University“ am 15.04.2010, http://www.bundeskanzlerin.de/Content/DE/Rede/2010/04/2010-04-16-rede-standford-university.html, sowie „Ist CO2 der Hauptgrund für die Erderwärmung?“, Bild am Sonntag vom 13.12.2009, nach http://www.bundeskanzlerin.de/nn_700276/Content/DE/
Interview/2009/12/2009-12-13-merkel-bams.html
(24.10.2010).

[2] Wo Totalitarismus droht, ist die Gewalt(phantasie) nicht fern. Die Klimaschutz-Organisation „10:10“ hat ein Video produzieren lassen, in dem Grundschulkinder, die sich der Klimahysterie verweigern, per Knopfdruck zum Explodieren gebracht werden. Vgl. Ed Driscoll, „«No Pressure»: Fascistic New Video Red-Lines the Eco-Insanity-Meter”, http://pajamasmedia.com/eddriscoll/2010/10/01/red-lining-the-eco-insanity-meter (1.02.2011).

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Der vorliegende Text ist ein Auszug aus einer Rezension unter dem Titel „Das Klima im Durcheinander“, die in der Zeitschrift Zbliżenia interkulturowe, Ausgabe 9/2011, S. 160-163, erschienen ist. Besprochen wurde die erweiterte Neuauflage von Maxeiners Buch (Berlin 2010).