Berlin als Unwille und Verstellung

Berlin als Unwille und Verstellung

Kürzlich mit einem Bekannten über Berlin als Stadt geplaudert, der wir vor Jahren entflohen sind. Sofort reproduzierten unsere Hirnschaltungen den unverwechselbaren Geruch der Berliner U-Bahn-Schächte und -Wagen, ein olfaktorisches Souvenir, auf das zivilisierte Menschen durchaus verzichten können. Die S-Bahn roch (damals) nicht viel besser, aber anders, zuweilen kurios ins Ranzige spielend.

Wie dem auch sei; Berlin war etwas, durch das man durch mußte – ganz so, wie es der Schweizer Benedict Neff in der NZZ beschreibt:

Generell bin ich in Berlin robuster geworden. Ich vermute, dass ich in den vergangenen drei Jahren in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr Rippenstösse und Tritte auf die Füsse bekommen habe als in meinem gesamten Leben zuvor. An ungehobeltes Verhalten und eine gewisse Rauheit im öffentlichen Umgang muss man sich gewöhnen. Wenn ich in meinen Anfängen hier Reklamationen geäussert habe, wurden diese oft nicht verstanden oder sogar als etwas umständlich vorgetragene Komplimente interpretiert. In Berlin muss man sagen, was man will; das funktioniert mit «hätte gern», «ein bisschen» und «vielleicht» eher schlecht. Diese Phänomene haben vor allem mit Berlin zu tun, während sich die Sitten in anderen Landesteilen verfeinert haben und auch eine andere Geschäftigkeit herrscht. 

Dieses Ruppige, das natürlich auch mein Bekannter und ich beobachtet (oder besser: durchwatet) haben, entspringt, fürchte ich im Rückblick, weniger einer herzhaft-tappigen Menschenliebe, die sich um Konventionen wenig schert, als einer Disposition, die sich als geistige Ungewaschenheit bezeichnen ließe: Es war zu vielen Leuten zu viel egal, die gerade deshalb zu sehr von sich eingenommen waren.

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Tegel
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Tegel

Der Flughafen Berlin-Tegel bekommt bei Nicolaus Fest sein wohlverdientes Fett ab:

Berlin-Tegel. Wie immer, egal ob man aus Doha, Bangkok, New York, London oder Istanbul einfliegt, der Eindruck verhockter Provinzialität. Dort großzügige Tempel der Globalisierung, hier DDR-Charme: Zerschlissene Vorhänge, an den niedrigen Decken verschmutzte Stahllochplatten, kaltes Neonlicht. So präsentiert sich der Flughafen der Hauptstadt. Auch die Organisation rückständig: Der Flieger einer dieser Airbusse mit 40 oder mehr Reihen, bei der Landung erleidet eine Frau einen Schwächeanfall. Trotz einer Position auf dem Außenfeld erhält nur der vordere Ausstieg eine Treppe. So dauert es mehr als 20 Minuten, bis so viele Passagiere das Flugzeug verlassen haben, dass ein Ärzteteam zu der Frau vorstoßen kann – ein handfester Skandal. Endlich, nach weiteren 10 Minuten, ist die zweite Treppe für den hinteren Ausstieg da – die dann immerhin noch von einem (!) Passagier genutzt wird.

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