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Pawlukiewicz, Peterson

Am 21. März 2020 verstarb in Warschau der röm.-kath. Priester Piotr Pawlukiewicz, ein polenweit bekannter und beliebter Prediger und Redner, Verfasser einiger Bücher. Ich kenne ein-zwei Dutzend der vielen, vielen Predigten und Vorträge Pawlukiewiczens, die (in polnischer Sprache) auf Youtube zu finden sind und Abertausende Views gesammelt haben. Jeder dieser Filme, den ich gehört habe – denn natürlich geht’s um die Tonspur -, war ein Gewinn.

Wenn man über die Gründe des Erfolgs nachdenkt, dessen sich Pawlukiewicz erfreuen durfte, fällt eine Ähnlichkeit auf: Sein Stil gleicht jenem Jordan Petersons, womit hier auch der Peterson der Vorlesungsmitschnitte, der Peterson vor dem Bestseller-Autor gemeint ist. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, daß der Eine den Anderen, der Andere den Einen imitiert habe oder die Unterschiede zwischen Theologie und Psychologie vernachlässigenswert seien. Es geht um pure Koinzidenz, die gleichwohl auf Bemerkenswertes stößt.

Zum einen der – scheinbare! – Impromptu-Charakter des Vortrages selbst. Beide Redner sprechen frei, lesen nicht ab; Anekdoten und persönliche Reminiszenzen sorgen für Authentizität, während der gehörige Abstand zu sich selbst und Ironie Sentimentalität und Selbstverliebtheit verhindern. Wiewohl beide Redner unmittelbaren Kontakt zu Ihren Adressen herstellen, diese auch ansprechen, hat man den Eindruck, beiden Rednern beim Verfertigen und Vervollkommnen ihrer Gedanken zuzuhören, ihnen bei diesem Tun gleichsam über die Schulter zu blicken. Dieser Blick in die „Werkstatt“ ist von großem Reiz. Eine während des Vortrags, mit dem Vortrag wachsende Rede lebt; sie hat nichts elend Langweiliges. Soviel zum Äußeren.

Zum anderen, und das ist das Wichtigere, vermeiden beide Redner eines: die Trivialisierung, ja Verniedlichung dessen, wovon sie sprechen. Sie heben hervor, daß sie von bedeutenden Herausforderungen berichten, die bestanden sein wollen. Und bestanden werden müssen, sofern nicht diejenigen, an die sie sich wenden, ihr Leben in lauwarmer Gleichgültigkeit ertränken wollen.

Genau dies dürfte der „Trick“ sein, der die gewaltige Resonanz von Pawlukiewicz und Peterson erklärt: Berichte den Menschen von echten Herausforderungen, von Herausforderungen, die wichtig sind. Betone, wie anspruchsvoll diese Herausforderungen sind. Erkläre, worin die Schwierigkeiten dabei im einzelnen bestehen. Und zeige auf, wie man sich daran erproben, Stück um Stück daran wachsen kann, indem Du Dich erinnerst, wie Du selbst Dich daran erprobt hast, Stück um Stück gewachsen bist. Ah, und sei nicht zuckerwattig-nett, wo ernste Dinge, auch drohende Fehler, Mißverständnisse, Verstöße und Versäumnisse in Rede stehen.

Mit einem Wort: Nimm das Leben, Dich selbst und Deine Zuhörer ernst.

Zum Dritten schließlich: Sowohl Pawlukiewicz, als auch Peterson fassen Dinge in den Blick, die vorpolitisch sind. Sie behandeln Herausforderungen, die in der Seele (Pawlukiewicz) oder Psyche (Peterson) des Einzelnen ausgekämpft werden müssen. Das Politische greift hier nicht. Daher finden Vorstellungen von Social Engineering, die glimpflichstenfalls auf die Illusion hinauslaufen, noch eine Gieskanne frischgedruckten Geldes werde „es“ schon richten, keinen Ansatzpunkt. Auch dies tut wohl.

(Beitragsbild: Kościół św. Anny (Sankt-Annen-Kirche) in Warschau, Bild vor 1939, via Wikipedia, gemeinfrei. Farbbild: Kościół św. Anny (Sankt-Annen-Kirche) in Warschau, Rückseite; Wikimedia Commons, gemeinfrei.)

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