Was erlauben Schulz?

Martin Schulz, Präsident des Parlaments der Europäischen Union und nach SPD-Verlautbarung „einer der prononciertesten, der leidenschaftlichsten und wortmächtigsten Anwälte und Akteure Europas“ – womit natürlich das „offizielle“ Europa gemeint ist – hat eine Rede programmatischen Charakters gehalten. Schauen wir, was er sagt:

Noch nie stand Europa vor so großen Herausforderungen wie heute: Die Wirtschafts- und Schuldenkrise dauert an. Armut und Arbeitslosigkeit wachsen. Die Menschen zweifeln zusehends an der Fähigkeit der Demokratie, drängende Probleme zu lösen, so z.B. den entfesselten Finanzmärkten einen Riegel vorzuschieben.

Was die Herausforderungen angeht, vor allem die Schulden, hat Schulz recht. Verwunderung allerdings erweckt der Passus von der Demokratie und den entfesselten Finanzmärkten. Als würden wir nicht in einem „Dreiviertel-Sozialismus“ leben, wie Roland Baader die Sachlage zusammenfaßt:

Große Sektoren der Volkswirtschaft wie beispielsweise das Gesundheitswesen, das Bildungswesen und das Rentenwesen sind weit überwiegend staatlich. Die Staaatsquote – also der Anteil der staatlichen Ausgaben an der gesamten volkswirtschaftlichen Leistung – liegt bei 50 Prozent. Das bedeutet, dass die Hälfte des Sozialprodukts durch staatliche Hände fließt.  […] Wir sehen derzeit keine Krise des Kapitalismus, sondern eine Krise des Sozialismus – wie überall und immer, wo der Sozialismus eingeführt wurde.

Dieser Verwechslung wegen zeigt sich Schulz außerstande zu begreifen, weshalb Europa „ökonomisch weniger bedeutend“ wird.

Er redet von „einem verschärften interkontinentalen Wettbewerb“, wo das eigentliche Problem darin besteht, daß Europas Eliten beschlossen haben, an diesem Wettbewerb nicht mehr ernsthaft teilnehmen zu wollen. Deshalb auch nennt Schulz die Schwierigkeiten, vor denen die Alte Welt steht, „Paradoxien“. Paradox daran ist gar nichts; nur der Blick eines eingefleischten Etatisten läßt es so erscheinen.

Aber zurück zu Schulz‘ Diagnose – und den diesmal nicht „entfesselten“, sondern „übermächtigen“ Finanzmärkten:

Gleichzeitig gilt in Zeiten einer interdependenten Welt, in Zeiten übermächtiger globaler Finanzmärkte aber auch: Mehr Demokratie geht nur mit mehr Europa! Wir wollen schließlich keine marktkonforme Demokratie – Wir wollen einen demokratiekonformen Markt. Zurückgewinnen kann die Politik diese – auf der nationalen Ebene längst verlorene – Handlungsmacht nur durch die Bündelung von Souveränität auf der europäischen Ebene. Souveränität, die Nationalstaaten auf die EU übertragen, ist eben nicht – wie uns Euroskeptiker weismachen wollen – verlorene Souveränität sondern zurück gewonnene Gestaltungsmacht.

Das ist amüsant. Wenn ich den Redner recht verstehe, sollen also diejenigen, die gegen Sturm und Strömung in ihren kleineren Fahrzeugen unterliegen würden, in ein größeres Schiff umsteigen, wo sie zwar nicht mehr den Kurs bestimmen, wohl aber hoffen dürfen, das Unwetter zu überleben. Die Souveränitat ist flöten. Und die Gestaltungsmacht, die, nun ja… – Fragen Sie nach, ob die Brücke des Mutterschiffs Auskunft erteilt. Soviel zum Thema „Mehr Demokratie geht nur mit Europa!“

Der dieser Passage unterliegende Begriff von „positiver Freiheit“ – die „Gestaltungsmacht“ – ist geeignet, im Namen von „Demokratie“ jeglichen Eingriff in das Leben der Bürger zu legitimieren. Statt mit derlei Hegelianismen um sich zu werfen, würde es Schulz und den meisten anderen kontinentaleuropäischen Politikern wohl anstehen, sich in Bescheidenheit zu üben – und jene Gestaltungsmacht denjenigen zurückzugeben, denen sie zukommt. Sollen die Bürger Europas entscheiden, ob sie traditionelle Glühlampen gebrauchen, ihre Häuser dämmen oder nicht dämmen wollen! Oder ob sie, wenn sie ein Gasthaus führen, rauchende Gäste willkommen heißen möchten. Hier verläuft die Front, an der um Gestaltungsmacht gerungen werden muß. Das Zauberwort heißt „negative Freiheit“, die Freiheit des Bürgers vom Staat – und Leuten wie Schulz.  (Dem Hinweis auf den vermeintlich „bloß negativen Charakter“ der „negativen Freiheit“ wäre zu entgegnen, daß solche Essentialismen recht oft in Teufels Küche, niemals aber zu einer vernünftigen Erfassung der Sachlage führen.)

Bestürzend wirkt Schulz‘ Aussage „Wir wollen keine marktkonforme Demokratie – Wir wollen einen demokratiekonformen Markt.“ Ins Maritime gewendet, hieße das: „Wir wollen kein seetüchtiges Schiff. – Wir wollen ein schiffstüchtiges Meer.“ Na dann, gute Reise!

*

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel (Sepp Herberger). Und so gilt für den Präsidenten des EU-Parlaments:

Nach der Krise, ist vor der Krise. Drei Jahre nachdem Spekulanten die Welt in die schlimmste Finanzkrise seit 80 Jahren stürzten, wird schon wieder munter gezockt. Die Banker sind nicht nur zum „business as usual“ sondern auch zum „profit as usual“ zurückgekehrt. Hohe Gehälter und Bonus-Zahlungen winken und verleiten viele Finanzjongleure wieder zu hochriskanten Deals. Erst in den letzten Tagen versuchten Hedge-Fonds mit Kreditausfallversicherungen Milliarden durch die Spekulation gegen den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone einzustreichen.

Die „entfesselten“ und „übermächtigen Finanzmärkte“ treten nun in Fleisch und Blut vor uns: „Spekulanten“. Was soll man dazu sagen? Zunächst sollte man sich jeglicher Dämonisierung (oder Ver-Heuschreckung) enthalten. Baader folgend, entspringen die hier von Schulz beklagten Probleme unseren „Papierwährungen“:

Alle Bürger wollen mehr Sozialleistungen oder Subventionen. Die Parteien treten in einen Wettstreit um die höchsten Staatsausgaben zum Zweck des Wählerfangs. Brot und Spiele, ein uralter Trick. Das geht mit echtem Geld nicht. Also führt man das beliebig vermehrbare Papiergeld ohne Deckung ein. Geldvermehrung aber bedeutet Inflation und Verschuldung.

Selbst wenn vielleicht nicht alle Bürger, sondern „nur“ drei Viertel der Bevölkerung mehr und mehr Sozialleistungen und/oder Subventionen wollen, legt Baader den Finger auf eine ernste und, womöglich, tödliche Wunde: So sterben demokratisch verfaßte Gesellschaften. (Dieses Problem hat die „Tea Party“ in den Vereinigten Staaten von Amerika entstehen lassen – Stichwort: Fiscal Security. Rassismus spielt dabei ganz sicher keine Rolle, zumal auch farbige Bürger der USA an der „Tea Party“ mitwirken.)

Eine Nebenwirkung des Papier- oder Falschgeldes (fiat money) besteht in bestimmten, wenig erfreulichen Auswüchsen auf den Finanzmärkten:

Nur mit dem Falschgeld aus ungedecktem Papier können die Billionen-Unsummen entstehen, die dann den Finanzsektor aufblähen und Tausende von Geldmanagern schaffen, die sich selbst bereichern. Die Banker sind nicht von Natur aus Verbrecher,

 – schlimm genug, daß Baader das festhalten muß; dies zur oben vermuteten Dämonisierung –

sondern werden durch Billionen-Ströme des papiernen Falschgeldes erst zu Giga-Abzockern. Staat und Finanzindustrie bilden einen verhängnisvollen Filz, der in Zusammenbruch und Diktatur endet.

A propos Filz: Wie schaut Schulz’ Lösungsvorschlag für die Probleme im Süden der Euro-Zone aus?

[S]o unumgänglich die Reduzierung der Staatsdefizite ist – das ist eine Frage der Generationen-Gerechtigkeit, dass wir unseren Kindern nicht nur den Hypothekenkredit anstatt das dazugehörige Haus vererben – so ehrlich muss man auch sein, einzusehen, dass wir mit diesen Kürzungsorgien kein Wachstum schaffen.

Kürzungs“orgie“ ist gut, wirklich gut. Wie dergleichen Kürzungs“orgien“ tatsächlich aussehen, präsentiert dieses Video. Doch hören wir, was der Präsident des EU-Parlaments weiter zu sagen hat:

Ohne Wachstum werden aber die Länder, die in einer Schuldenkrise stecken, ihre Schulden kaum bedienen können. Deshalb muss jetzt nach dem ersten Schritt, der Sparpolitik, ein zweiter folgen: die Wachstumspolitik. Wir brauchen ein Aufbauprogramm für Südeuropa, aus europäischen Mittel[n], die schon längst beschlossen sind. Eine Art Marshall-Plan, der beim Ausbau von z.B. erneuerbaren Energien hilft, durch die die klimatisch geeigneten Südländer eine ökonomische Perspektive und die EU insgesamt mehr Unabhängigkeit vom teuren Öl und Gas bekommen. Für dieses Wachstumspaket streite ich auch, weil hierdurch die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass sich die „Schuldenländer“ wieder selbst aus dem Sumpf ziehen können, weil sie nachhaltiges Wachstum erzeugen, von dem ganz Europa profitiert.

Die Antwort auf ein Problem, das der ins Uferlose gewucherte Staat hervorzurufen mehr als nur geholfen hat, lautet – natürlich – „mehr Staat!“ Ein Wachstumsprogramm, das – wiederum – die Gestaltungsmacht nicht bei den Bürgern jener Länder beläßt, sondern für sie entscheidet: erneuerbare Energien sollten’s schon sein. Ob es sich rechnet, oder nicht. Schließlich wollen wir ja den demokratiekonformen Markt, nicht die marktkonforme Demokratie.

Was daraus Besseres entstehen könne, als neuer Filz, bleibt schleierhaft. Unverständlich auch, wie Schulz in ebendiesem Absatz davon sprechen kann, die Installation von Geldverbrennungsanlagen (Windkraftwerken, Solaranlagen etc.) helfe den verschuldeten Ländern am Mittelmeer.

*

Habe ich etwas vergessen? Schulz nutzt die Gelegenheit, die Einführung einer neuen Steuer zu empfehlen, der Finanztransaktionssteuer nämlich. Das ist recht eigentlich selbstverständlich und bedarf darum kaum der Erwähnung.

Außerdem stößt er in dasselbe Horn, in das auch Elmar Brok gestoßen hat. Auch Schulz möchte die Alte Welt

unabhängiger machen von den US-amerikanischen Rating-Agenturen, die nicht zögern, europäische Länder, hinter denen die gesamte EU steht, auf Ramschniveau eines Entwicklungslandes zu setzen.

Das heißt, auch der amtierende Präsident des EU-Parlaments glaubt, durch die Berufung anderer Meteorologen das Wetter ändern zu können. Über diese Phantasie hat Daniel Hannan bereits alles Nötige bemerkt. Doch mag es lohnen, Godfrey Blooms Ansichten über die Hellsichtigkeit und Schärfe der von Schulz und Brok gefürchteten Institutionen zur Kenntnis zu nehmen.

So bleiben schlußendlich Fragen des Stils. Wie bekannt, hat Schulz Jerzy Buzek als Präsidenten des EU-Parlaments abgelöst. Über dessen Geldstrafe für Nigel Farage läßt sich streiten. Doch ist Buzek immerhin ein höflicher und eleganter Mann…

***

Die Worte Roland Baaders stammen aus dessen letztem Interview. Es findet sich in der Zeitschrift eigentümlich frei, Ausgabe März 2012. Wenn Sie sich wundern, was es mit der „Ver-Heuschreckung“ auf sich hat, bitte ich Sie, auf den Link zu klicken. Wenn Sie dort gelandet sind und herunterscrollen, erblicken Sie in der rechten Spalte das betreffende Titelbild der Zeitschrift metall. KarasekUS bietet Reden der Herren Bloom, Farage und Hannan mit polnischen Untertiteln an.

„Starke Kräfte in den USA, insbesondere aus der Finanzwirtschaft“

„Starke Kräfte in den USA, insbesondere aus der Finanzwirtschaft“

Es gibt zwei Kategorien von Politikern – diejenigen, die Probleme benennen und angehen, und solche, die angesichts von Schwierigkeiten einen Sündenbock suchen. Der Europa-Abgeordnete Elmar Brok klärt uns auf, was von den jüngsten Abwertungen durch Rating-Agenturen zu halten sei, und erhält eine Antwort von Daniel Hannan.

Wenn Standard & Poor’s bedeutende Euro-Länder abwerte, habe dies keine sachlichen Gründe, sondern sei „interessengeleitet“. Die Rating-Agentur habe Europa einen „Währungskrieg“ erklärt, so Brok, um „angelsächsische Interessen gegen Europa durchzusetzen.“ Um wessen Interessen es sich dabei genau handle? „Starke Kräfte“ in den Vereinigten Staaten von Amerika, die vor allem in der „Finanzwirtschaft“ oder „Finanzindustrie“ zu finden seien. Man wolle den Euro zerschlagen, „um Geld daran zu verdienen“.  Außerdem gebe es unter US-Politikern solche, die ein „geteiltes, weniger einflussreiches Europa“ vorziehen würden.

Soweit das Argument von Herrn Brok. Bemerkenswert daran ist dreierlei.

Zum Einen, daß der Europa-Abgeordnete den Einfluß der Staaten, der Volkswirtschaften und der Wissenschaft Europas von der Gemeinschaftswährung Euro abhängig sieht. Das darf als drolliger Einfall gelten.

Zum Andern, daß Herr Brok der Rating-Agentur Standard & Poor’s vorwirft, ihre Dienstleistungen für Kunden aus der Privatwirtschaft zu erbringen: „Die bekommen ihr Geld von der Finanzwirtschaft. Von den Staaten bekommen sie nichts. Sie sind also von der Finanzwirtschaft abhängig.“ Soll staatliche Finanzierung hier für mehr Objektivität sorgen? Wie schon in Klima-Fragen? Der nächste drollige Einfall! Daniel Hannan kommentiert:

The President of the European Commission, José Manuel Barroso, regularly lashes out at the American agencies, and plans to create an EU one instead (as if anyone would believe a word it wrote). Earlier today, the European Commission threatened the agencies with greater regulation including censorship, prompting my colleague Ashley Fox to remark, ‚You don’t get better weather by turning down the forecast‘.

Und zum Dritten: Was „unser“ Streiter wider die perfiden Angelsachsen verkündet, ist mitnichten neu. Es läßt sich lange zurückverfolgen – bis vor den Ersten Weltkrieg. Ganz in diesem Sinne bemerkt Mr Hannan, in der Anglosphäre sei man dergleichen gewöhnt:

But what’s alarming here is not the EU’s hostility to the English-speaking peoples, nor yet its distrust of free markets: we’re used to both those things. No, what’s truly terrifying is the extent to which the Brussels elites have switched off the real world and taken to screaming at the bearers of bad news.

Was aber, wenn jener Realitätsverlust und die Feindschaft den Angelsachsen – und besonders Amerika – gegenüber zusammenhängen, und also beides gefährlich ist? Wenn, so der Historiker Dan Diner, „die Vorstellung von weltumfassender Geldherrschaft („Plutokratie“) […] einer paranoiden Ideologie, in deren Zentrum „Amerika“ steht,“ Ausdruck gibt? Mir scheint, als zeige Mr Hannan in dieser Frage ein Übermaß an Milde.

In jedem Falle ist man sich in Deutschland seit langem über den „verwerflichen“ Charakter des Kapitalismus einig, wie Professor Diner berichtet:

So sicherte sich Clara Zetkin in einer von spntanen Beifallsstürmen beleiteten Reichstagsrede am 7. März 1923 die Zustimmung von rechts, als sie in nationalbolschewistischer Erregung […] verkündete, die „Vereinigten Staaten vertreten Kapitalisten, die so scharfäugig, so rücksichtslos, so ohne alle alten Traditionen sind, dass sie die Letzten sind, die über die Zwirnfäden moralischer Bedenken stolpern werden. Nein, Industrie mit amerikanischem Kapital die deutsche Arbeiterschaft als billige Arbeitskraft in die Hand zu bekommen und auf diesem Wege Deutschland in eine Kolonie der Vereinigten Staaten zu verwandeln. (Sehr wahr! rechts). Keine Illusionen über diese Tatsache.“

Der „«antiimperialistische» Burgfrieden“ (Diner) besteht auch 2012 weiter. Der Journalist Stefan Kaiser bemerkt über die „Währungskrieg“-Tirade des Herrn Brok:

Wenn Elmar Brok und Gregor Gysi einer Meinung sind, sollte man skeptisch werden – erst Recht, wenn der CDU-Mann und der Fraktionschef der Linken fast wortgleiche Formulierungen benutzen.

Ein Trauerspiel…

***

Elmar Brok hat seine Aufassungen in einem Interview vertreten, das von Günther Lachmann geführt worden ist; es trägt den Titel „US-Kräfte haben uns den Währungskrieg erklärt“. Die Antwort von Daniel Hannan heißt „Eurocrats blame the euro crisis on Britain and America – obviously“. Die Ausführungen von Dan Diner finden sich in dessen Buch „Feindbild Amerika. Über die Beständigkeit eines Ressentiments“, 2. Auflage, München 2003, S. 70 und 78. Auf den Artikel „Der Mythos vom Währungskrieg“ von Stefan Kaiser bin ich durch einen Hinweis des American Viewer gestoßen.

Am Rande der Bewegung III: Ein Zeichen setzen!
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Am Rande der Bewegung III: Ein Zeichen setzen!

Hinter dem Fischereihafen der kleinen Stadt werden große Dreifüße aus Stahl gebaut, um einige Kilometer vor der Küste versenkt zu werden. Dann werden darauf Windkraftanlagen montiert. Ganz offenbar hofft man, mit diesem Stahl-Opfer den Zorn der Gottheit abwenden zu können. Ein anderer Grund, diese Steuermittel-Verbrennungsanlagen in die See zu rammen, will mir nicht einfallen.

Von dem Fall abgesehen, daß es sich um Crony Capitalism handle, natürlich:

In a truly capitalist society businesses never receive money or special privileges from government: they succeed if they please customers in offering them what they want, and they fail if they do not. (Kel Kelly, The Case for Legalizing Capitalism, Auburn 2010, S. 26-27)

(In einer kapitalistischen Gesellschaft, die den Namen verdient, erhalten Unternehmen niemals Geld oder irgendwelche besonderen Privilegien von Seiten der Regierung: Sie haben Erfolg, wenn sie den Kunden bieten, was diesen so sehr zusagt, daß sie es kaufen wollen, und sie gehen unter, wenn sie dies nicht tun.)

Wie steht es darum bei unseren Windmühlen und den Dreifüßen, auf denen sie in den Sand gesetzt werden?

Mit großer Unterstützung des Landes Niedersachsen und der EU wurde hier eine Infrastruktur geschaffen, um Offshore-Windkraftanlagen mit allen erforderlichen Komponenten zu bauen und zu verschiffen. Mehr als 80 Mio. € sind in den letzten Jahren in die Infrastruktur der Offshore Basis Cuxhaven investiert worden – hinzu kommen private Investitionen der Offshore-Branche in Cuxhaven von über 100 Mio. €  in den Jahren 2007 und 2008.

„Mit großzügiger Unterstützung des Landes Niedersachsen und der EU“. Und es reden so Viele von „Neoliberalismus“?

Machen wir uns klar: Wer feststellt, die Windkraft-Branche schaffe Jobs, sollte darauf hinweisen, daß diese Jobs recht eigentlich Stellen des Öffentlichen Dienstes darstellen; sie sind von Seiten des Staates bestellt und werden vom Steuerzahler finanziert.

Crony Capitalism ist eine Veranstaltung der Gleicheren unter den Gleichen. Dem Bürger bleibt das Wundern. Er geht durch

Landschaften, welche durch die Rotorenwälder der Windindustrie weiträumig verschandelt wurden,

und fragt sich: Das soll Umweltschutz sein?

* * *

Kellys Argument ruht auf Ludwig von Mises‘ Anschauungen über das Verhältnis von Unternehmer und Kunde. Mehr dazu finden Sie – meisterhaft klar und allgemeinverständlich ausgedrückt – im ersten Kapitel von dessen Werk Die Wurzeln des Antikapitalismus.

Am Rande der Bewegung II: Das Ende ist nah!
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Am Rande der Bewegung II: Das Ende ist nah!

Die Bewegung hat, wie üblich, eine quasi-religiöse Dimension.

In einer der Fischhallen am Rande der kleinen Stadt in Norddeutschland sagt ein älterer und sehr gediegen wirkender Mann mit flächigen, kräftigen Händen – offenbar der Besitzer des Ladengeschäfts – zu einem Dreijährigen, dessen Eltern einige Plattfische erstanden haben: „Da habt ihr ‚was Feines, mein Junge. Ich hoffe, es wird euch schmecken. Wer weiß, ob es noch Fische gibt, wenn Du groß bist.“

Marketing ist das kaum. Eher tatsächliche Erwartung und ehrliche, bohrende Besorgnis. Wie soll man das verstehen?

Und der andere Engel goß aus seine Schale ins Meer; und es ward Blut wie eines Toten, und alle lebendigen Seelen starben in dem Meer. (Offenbarung 16, 3; Luther)

Es handelt sich um die große Eitelkeit, die dem Gedanken entspringt, in einer „besonders“ schlimmen Zeit zu leben, „besonders“ verworfenen Verhältnissen entgegenwirken zu müssen, – und im Gegenzug desto reiner zu scheinen.

Mißverstehen wir einander nicht: Es hat immer wieder besonders schlimme Zeiten gegeben. Der Mut all derer, die sich gegen sie aufgelehnt haben, verdient unseren Respekt: Etwa jener der Widerstandskämpfer gegen den nationalen und internationalen Sozialismus, unter denen es, wie im Falle der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa), viele gab, die nach dem Sieg über den einen Totalitarismus Opfer des anderen wurden.

Es geht um den Als-Ob-Mut, das Als-Ob-Kämpfer sein; das Sich-Erheben in Abwesenheit von Übeln. Das ist der Treibstoff der Bewegung.

***

Der Klassiker zum Thema: Norman Cohn, The Pursuit of the Millenium (1957). Das Buch ist auch in deutscher Sprache erhältlich; allerdings habe ich selten eine schlechtere Übersetzung in der Hand gehabt (Bern und München 1961, besorgt von Eduard Thorsch). In jüngster Zeit beschäftigt sich Richard Landes mit dem Thema.

Blutige Nase geholt: Augstein vs. Hanson

Blutige Nase geholt: Augstein vs. Hanson

Jakob Augstein verkörpert den bundesdeutschen Gesinnungsjournalismus, wie kaum ein anderer. In einem kürzlich erschienen Artikel verkündet er: „In Amerika regiert der politische Irrsinn. Die USA sind ein politisch und sozial zerrissener failed state.“

Der Artikel ist auch in englischer Sprache erschienen. In dieser Version hat er die Aufmerksamkeit des namhaften Historikers Victor Davis Hanson gefunden. Die Antwort des kalifornischen Gelehrten trägt den schönen Titel „An Anatomy of European Nonsense. The Silliest Column I Have Ever Read“.

Augstein:

Der soziale Zerfall dieses reichen Landes ist atemberaubend. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hat ihn jüngst beschrieben: Das reichste Prozent der Amerikaner reklamiert gut ein Viertel des Gesamteinkommens für sich – vor 25 Jahren waren es zwölf Prozent. Es besitzt 40 Prozent des Gesamtvermögens – vor 25 Jahren waren es 33 Prozent. Stiglitz sagt, dass sich in vielen Ländern der sogenannten Dritten Welt die Einkommensunterschiede zwischen Arm und Reich reduziert hätten. In den USA sind sie gewachsen.

Hanson:

Most of the extraordinary wealth of America’s richest — a Bill Gates, Jr. or Warren Buffett — is based on the advent of American-style globalization that opened up new markets for products and financial services, or brought in billions in foreign investment. In response, never has the top 1% paid a greater percentage of the aggregate income tax (the top 1% pays almost 40% of all income tax revenues collected; the top 5% pays almost 60%; the bottom 50% of households pays essentially nothing in income tax). But the barometer of national health should be not be found necessarily in income disparity, but rather in the per capita income of Americans. As American companies and financial institutions made unprecedented profits from global commerce and investment, so too did the standard of living of all Americans rise between 1980s and 2008. […] By measures of access of the poor and middle class to electronic goods, cars, or square footage of living space, the U.S. far exceeds the European mean. Such opportunity explains why some 10-15 million Mexican nationals, without legality, education or English, have flocked to the United States.

Genau! Sonst wäre nicht zu erklären, weshalb so viele Menschen aus anderen Staaten in die USA möchten. Diesen simplen Umstand hat Augstein übersehen. Hören wir ihn weiter:

Amerika hat sich verändert. Es hat sich vom Westen entfernt.

Hanson:

Even this simple assertion is wrong. America is drifting as never before toward Europe—the ostensible model for an Obama administration that has borrowed nearly $5 trillion in three years, federalized health care, assumed control of private companies, blocked new plant openings, is eager to increase taxation, and seeks to subordinate U.S. foreign policy to the United Nations, as we see in the case of Libya, where the Obama administration went to the Arab League, the United Nations, and its European allies, but not to the U.S. Congress for authorization.

Augstein:

In dem Maße, in dem sich Amerika uns entfremdet, werden wir lernen (müssen), als Europäer zu denken. Der Westen, das sind wir.

Hanson:

Mr. Augstein should be thinking not of ridding America from the West, but whether the West will still include a united Europe, which is proving as undemocratic as it is unable to continue the basic premises of the welfare state. […] The desire for “distance” unfortunately is not just confined to European elites like Mr. Augstein himself, but is voiced more often by a far greater numbers of Americans, who cannot quite fathom the premises of postmodern Europe, much less why in tough financial times we should be subsidizing the security of a system that won’t pay for what it thinks it requires for its own protection […].  If the French and British military record in Libya or the German-Greek negotiations are a blueprint for a new definition of European singularity, then God help our trans-Atlantic cousins, since America will soon no longer be willing or able to.

Amen.

Der Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Medien in historischer Perspektive
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Der Bildungsauftrag öffentlich-rechtlicher Medien in historischer Perspektive

Als Winston Churchill ’störte‘. Milton Friedman:

From 1933 to the outbreak of World War II, Churchill was not permitted to talk over the British radio, which was, of course, a government monopoly administered by the British Broadcasting Corporation. Here was a leading citizen of his country, a Member of Parliament, a former cabinet minister, a man who was desperately trying by every device possible to persuade his countrymen to take steps to ward off the menace of Hitler’s Germany. He was not permitted to talk over the radio to the British people because the BBC was a government monopoly and his position was too „controversial“.

(Capitalism and Freedom, Chicago 2002, S. 19.)

Was hat die chilenischen Bergleute gerettet? Der Kapitalismus!
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Was hat die chilenischen Bergleute gerettet? Der Kapitalismus!

Auszüge aus einem bemerkenswerten Artikel von Daniel Henninger – in freier Übersetzung:

Wenn diese Bergleute vor fünfundzwanzig Jahren so tief verschüttet worden wären, wären sie zum Tode verurteilt gewesen. Welches Ereignis der vergangenen fünfundzwanzig Jahre hat ihr Leben gerettet?

Kurz gesagt, ein Bohrkopf der Firma Center Rock.

Dieses Wundergerät hat den Weg hinunter zu den gefangenen Bergleuten freigemacht. Center Rock Inc. ist eine Firma in Berlin, Pennsylvania. Sie hat vierundsiebzig Mitarbeiter. Nachdem der Chef der Firma, Brandon Fisher, von dem Unglück erfahren hatte, rief er in Chile an, um seinen Bohrkopf anzubieten. Die Chilenen haben akzeptiert. Die Bergleute sind am Leben.

Die längere Antwort? Der Bohrkopf der Firma Center Rock bildet ein bemerkenswertes Stück Technik, das von einer kleinen Firma entwickelt worden ist, die dergleichen für Geld – für Profit – tut. Darin liegt ihr Beweggrund, innovative Bohrtechnik zu entwickeln. Wenn sie Geld verdienen, können sie die Bohrtechnik weiter voranbringen.

Die Dynamik „Profit = Innovation“ war überall um das Bergwerk in Chile zu beobachten: Das Hochleistungskabel für den einfachen Rettungsbohrturm war aus Deutschland gekommen. Japan hatte das äußerst flexible Glasfiber-Kabel beigesteuert, durch das die Bergleute mit der Welt über Tage kommunizieren konnten.

Jeffrey Gabbay, der Gründer der Firma Cupron Inc. aus Richmond, Virgina, versorgte die Bergleute mit Socken, die Kupfer enthalten. Das Metall vernichtet Bakterien und vermindert so Fußgeruch und Infektionsgefahr. Chiles Gesundheitsminister kommentierte: „Ich wußte nicht, daß so etwas überhaupt existiert.“

Genau darum geht es. In einer „offenen Wirtschaft“ weiß niemand, was die innovativsten Firmen dieser oder jene Branche gerade entwickeln. Meistens achtet niemand darauf. Sie schaffen ja lediglich Arbeitsplätze und Wohlstand. Doch ohne sie wären die chilenischen Bergleute verloren gewesen.

Den gesamten Artikel finden Sie hier.

Wie man die schlechte Nachricht höflich überbringt
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Wie man die schlechte Nachricht höflich überbringt

Hagen Schulzes „Kleine deutsche Geschichte“ zeichnet – neben vielem anderen – die deutsche Sozialstaatstradition nach. Der Historiker übt Zurückhaltung. Denn die Fakten sprechen für sich.

Schulze über das Deutsche Reich von 1871:

Das Sozialistengesetz von 1878 war die staatliche Antwort auf die Kampfansage der „Umsturzpartei“, wenn es sich auch in Kenntnis politischer Unterdrückungsmaßnahmen des 20. Jahrhunderts fast harmlos ausnimmt – immerhin blieb die SPD-Reichstagsfraktion bestehen und erstarkte von Wahl zu Wahl. Auf der anderen Seite führte die Reichsregierung seit 1880 Schritt für Schritt eine staatliche Sozialversicherung ein, die vorbildlich für ganz Europa wurde, um aus besitzlosen Sozialisten konservative Rentiers zu machen – was das anging, erwies sich die europaweit vorbildliche, wenn auch ganz aus dem Geist des ostelbischen Paternalismus erdachte Sozialpolitik als erfolglos, denn nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890 war der Zustrom zur SPD stärker denn je. (Kleine deutsche Geschichte, S. 136)

Ansprüche auf Ansprüche (entitlements) wachsen mit dem Essen.

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