Perfekter Tag
„Hohe Luft“ über Kleinpolen. Strahlender Sonnenschein in glasklarer Kälte. Die Streifenfelder zeichnen die Umrisse der wenigen Wolken nach. Auf den zumeist sehr schmalen Äckern sind die Haupt- oder Nebenerwerbsbauern mit ihren jahrzehntealten Ursus-Traktoren unterwegs, die ebenso unverwüstlich sind wie ihre Besitzer, zumal Letztere an Ersteren selbst herumschrauben können. Es ist Sankt Michaelis, Festtag des Erzengels Michael.
Wieder im Haus, finde ich die Mail eines Freundes aus Deutschland vor. Eine seiner Bekannten habe sich die Zeit genommen, Trumps Ansprache vor den Vereinten Nationen zur Gänze und im Original zu hören, halte das meiste davon für sehr vernünftig, weil die Trittbrettfahrerei auf Kosten der westlichen Führungsmacht aufhören müsse. Überhaupt habe sie manches überdacht, bedaure vorschnelle und harsch vorgetragene Urteile über den Mann, der mir die Mail geschrieben hat, sei über ihre Arroganz sogenannten Rechtspopulisten gegenüber erschüttert, wiewohl sie nicht allem, was sie auf dieser Seite des Spektrums höre, zustimmen könne und wolle. Jedoch bildeten, das sehe sie nun ein, eben sowohl die Emergenz neuer Parteien, als auch die Divergenz der Meinungen unablösbare Züge dessen, was man Demokratie und Freiheit zu nennen pflege. Mein Freund möge ihr, die, wenn ich recht orientiert bin, keine Verflossene ist, nachsehen, daß sie die letzten Jahre in unzureichend durchlüfteten Milieus übellauniger Ausrichtung verbracht, sich die tektonischen Verschiebungen im bundesdeutschen Diskurs – er habe lächeln müssen, als er dieses ihm lange schon albern scheinende Wort wie einen Bodensatz alter Sünde (a mind not to be chang’d) in ihrem Schreiben las – nur unzureichend bewußt gemacht habe. Der Unterschied zwischen Patriotismus und Nationalismus leuchte ihr ein, seit einiger Zeit schon, habe sie geschrieben, wiewohl sie niemandem außer ihm kenne, zu dem sie darüber sprechen könne; und, ja, man müsse stets prüfen, ob derjenige, welcher hochtrabende Forderungen moralischer Natur vorbringt, von Liebe oder Ressentiment getragen werde.
Sie glauben das nicht? Ich (leider) auch nicht.