Konservatismus

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    Chestertons Zaun

    Reformer sind oft bloß Zerstörer. Sie machen kaputt, was gut funktionierte, weil sie seinen Zweck nicht verstehen. Warum das so ist, erklärt G. K. Chesterton mit einem einfachen Beispiel und großer Eleganz:

    There exists […] a certain institution or law; let us say, for the sake of simplicity, a fence or gate erected across a road. The more modern type of reformer goes gaily up to it and says, “I don’t see the use of this; let us clear it away.” To which the more intelligent type of reformer will do well to answer: “If you don’t see the use of it, I certainly won’t let you clear it away. Go away and think. Then, when you can come back and tell me that you do see the use of it, I may allow you to destroy it.” […] The gate or fence did not grow there. […] Some person had some reason for thinking it would be a good thing for somebody. And until we know what the reason was, we really cannot judge whether the reason was reasonable. It is extremely probable that we have overlooked some whole aspect of the question […].

    (Nehmen wir an, es gibt eine bestimmte Einrichtung oder ein Gesetz; um die Sache einfacher zu machen, sagen wir: einen Zaun oder ein Tor quer über die Straße. Ein Reformer modernen Zuschnitts wird voller Freude auf ihn zugehen und sagen: „Ich sehe keinen Zweck, dem dieser Zaun dient. Lassen Sie uns ihn entfernen.“ Worauf ein Reformer von schärferer Intelligenz antworten sollte: „Wenn Sie keinen Zweck sehen, dem dieser Zaun dient, werde ich Ihnen nicht erlauben, ihn zu entfernen. Gehen Sie fort und denken Sie nach. Wenn Sie zurückkommen und sich in der Lage zeigen, mir zu sagen, daß Sie den Zweck des Zaunes tatsächlich erkannt haben, erlaube ich Ihnen vielleicht, ihn zu zerstören.“ Das Tor oder der Zaun sind dort nicht gewachsen. Irgend jemand hatte irgendeinen Grund für die Annahme, der Zaun würde irgend jemandem dienen. Und solange wir nicht wissen, worin dieser Grund bestand, können wir kein Urteil darüber treffen, ob dieser Grund vernünftig gewesen sei. Höchstwahrscheinlich haben wir einen ganzen Aspekt des Problems übersehen.)

    Gilbert Keith Chesterton, „The Drift from Domesticity“, in: ders., The Thing, London: Sheed & Ward 1946, S. 29–39, hier S. 29.

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    Konstantin Kisin: An unsere konservativen Freunde in Schulen und Hochschulen

    Konstantin Kisins Rede auf der ARC Conference 2023 enthält eine Passage, in der er sich an nicht-linke Lehrer und – verzeihen Sie das dumme Wort – Hochschullehrer wendet, also an Konservative und Vertreter eines klassischen Liberalismus, die im Bildungswesen tätig sind und den Nexus zwischen vernünftigem, empirieorientiertem Denken und Freiheitsfähigkeit verstehen. Der Passus verdient Aufmerksamkeit. In einer deutschen Übersetzung, die sich geringfügige Freiheiten nimmt, klingt er so:

    Ich sage unseren Freunden, die an Schulen und Hochschulen arbeiten: Ich verstehe, daß sich viele von Ihnen wie die französische Résistance oder sowjetische Partisanen fühlen – hinter den feindlichen Linien, mit zu wenigen Leuten, im Kampf gegen einen weit besser bewaffneten Gegner. Sie haben recht. Wir befinden uns eben im wichtigsten Kampf unseres Lebens. Kämpfen Sie also weiterhin um jede junge Seele, die sie retten können. Es wird sich lohnen!

    Hören Sie hier nach 11 Minuten, 49 Sekunden.

    Nun mag deutsche Befindlichkeit an Kisins Metaphorik auszusetzen finden, daß sie die Erfahrungen von Résistance-Kämpfern oder sowjetischen Partisanen verharmlose, da es an Schulen und Hochschulen kaum um Leib und Leben gehe. Hier wäre zu entgegnen, daß der in Moskau geborene, seit seinem elften Lebensjahr im Vereinigten Königreich lebende Kisin seinen Vortrag auf der Konferenz der Alliance for Responsible Citizenship satirisch-ironisch angelegt hat, um mit Scherzen und Überzeichnungen wichtige Einsichten zu transportieren. Wie er ja überhaupt alles Recht besitzt, deutsche Befindlichkeiten zu ignorieren.

    (Beitragsbild: Screenshot aus dem verlinkten Film.)

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    „Wir sind die mit dem schönen Leben“

    Es kann nicht schaden, an diese herrliche Passage aus einem etwas älteren Artikel Marco Gallinas zu erinnern:

    Der Konservatismus ist mehr als nur preußischer Drill. […] Konservatismus bedeutet, nicht nur einen Palast zu bauen, sondern auch, ihn schön einzurichten. Nicht nur einen Gott zu haben, sondern auch an ihn zu glauben. Nicht nur von Kontinuität zu reden, sondern sie zu leben. Ein Glas Rotwein über eine politische Diskussion zu stellen; einen Caravaggio über den Zeitgeist; die Familie über den Individualismus. Wir sind die mit dem schönen Leben.

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    Sir Roger Scruton und Douglas Murray im Gespräch

    Roger Scruton und Douglas Murray über die Zukunft des Konservativismus, das Ressentiment der „Fortschritt“-Fanatiker, Sündenböcke, die notwendig unschuldig sein müssen, und eine Architektur, die Menschen erlaubt, sich zuhause zu fühlen. Aber worüber hier gesprochen wird, ist gleichgültig. Wie die beiden Gentlemen sprechen, ist das Wesentliche – ein Labsal für Intellekt und Gemüt. Geist und Gelassenheit, Selbstironie und Augenzwinkern, alles was ihn ausmacht, den in unserem Alltag so schmerzlich Vermißten, den Gentleman.

    Bitte nehmen Sie sich die knapp anderthalb Stunden Zeit.

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    25 Jahre „Anschwellender Bocksgesang“

    Die Hypokrisie der öffentlichen Moral, die jederzeit tolerierte (wo nicht betrieb): die Verhöhnung des Eros, die Verhöhnung des Soldaten, die Verhöhnung von Kirche, Tradition und Autorität, sie darf sich nicht wundern, wenn ihre Worte in der Not kein Gewicht mehr haben.

    Botho Strauss. Mehr hier.