Salome in der Deutschen Oper Berlin

Eine Kritik von Nils Gösche (Gastbeitrag)

War am 3. Februar  in der Deutschen Oper  und habe mir die neue Salome-Inszenierung von Claus Guth angesehen.

Das Orchester unter der Leitung von Alain Altinoglu war gut; da wird die Deutsche Oper immer besser. Da war genug Energie und Klangreichtum, um die wilde, schmerzend-hypnotisch-traumartige Musik von Richard Strauss angemessen wiedergeben zu können.

Eigentlich hätte Salome von Catherine Naglestad gesungen werden sollen, aber die war wegen einer Rippenprellung unabkömmlich. Stattdessen sahen wir nun die junge Allison Oakes als Salome. Sie ist eine gute Sängerin mit viel Talent, aber Salome ist noch etwas zuviel für sie. Die tieferen Passagen konnte sie nur mit viel Mühe heraushauchen und auch in den höheren Lagen fehlte einfach noch etwas Dynamik. Aber das kann ja noch werden. Im großen und ganzen ein eindrucksvoller Auftritt, besonders wenn man bedenkt, daß sie so kurzfristig eingesprungen ist.

Am besten gefielen mir die gestandenen Künstler Jeanne-Michèle Charbonnet als Herodias und Michael Volle als Jochanaan. Da gibt es gar nicht viel zu sagen, das war perfekt. Auch Burkhard Ulrich als Herodes war überzeugend, hatte aber weniger Wucht als die beiden vorgenannten.

Eine einzige Katastrophe war leider die Inszenierung von Claus Guth. Die Handlung wurde in einen Schneiderladen aus den 50er Jahren transferiert, und der wilde, blutrünstige, biblisch-heidnische Stoff wurde von Menschen in 50er-Jahre Anzügen und Kleidchen dargestellt. Der Regisseur hatte es sich in den Kopf gesetzt, Salome als eine Art zartes Pflänzchen und Opfer darzustellen, das in seiner Jugend vom bösen Herodes sexuell mißbraucht worden war, was dann ihre Handlungen erklären und entschuldigen sollte, auf »psychoanalytische Weise«, wie der gelahrte Schweizer in seinem Einführungsvortrag erläuterte.

Um diese absurde Idee heimzubringen und dem Zuschauer in den Kopf zu hämmern, lief dann ständig eine Gruppe von Kindern in verschiedenen Größen über die Bühne, die alle Salome in früheren Altersstufen darstellen sollten, und anstatt Herodes wie üblich auf seinem Thron sitzen zu lassen, wurde der arme Burkhard Ulrich nun ständig über die Bühne geschickt und mußte die kleinen Mädchen lüstern begrabbeln, damit auch der letzte begreift, worauf der Regisseur dezent hinweisen möchte.

Der berühmte Tanz der sieben Schleier, ein wesentlicher Teil der Handlung, wurde komplett gestrichen und durch tänzerische Rückblenden der Krabbelgruppe auf vergangene Mißbrauchshandlungen des Herodes ersetzt, nur für den Fall, daß es doch noch irgendeinen Deppen geben sollte, der noch nicht begriffen hatte, worauf der Regisseur hinauswill. Hier verführt Salome also Herodes gar nicht, der Zuschauer wird um eine erotische Nacktszene betrogen, und es bleibt völlig unklar, wofür sich Herodes hinterher bedankt, und wieso er sich an seinen Teil der Abmachung gebunden fühlt. Es geht völlig verloren, daß es doch Salome ist, die die ganze Handlung treibt und planvoll vorgeht, um ihr Ziel zu erreichen.

Nun wird auch klar, wieso der Regisseur die Handlung in die 50er Jahre verlegt hat. Offenbar folgt er dem öden 68er-Klischee, die 50er Jahre seien irgendwie »muffig« gewesen, und anscheinend war es damals ganz normal, kleine Mädchen zu mißbrauchen. Was Salome damit zu tun hat, bleibt allerdings unklar.

Salome küßt auch nicht Jochanaan, und wird am Ende nicht getötet. Sie hat gar nichts Dämonisches mehr, der ganze Reiz der Figur geht verloren.

Die Inszenierung war ein völliger Fehlschlag. Tut mir leid um die guten Musiker.