Jordan Peterson auf Deutsch: wie’s scheint, ein großes Unglück

Liest man die Rezensionen der deutschsprachigen Version von Jordan Petersons 12 Rules for Life bei Amazon, gewinnt man den Eindruck, da sei etwas schiefgelaufen:

Die Übersetzung verzerrt das ganze Werk dermaßen, dass es sich hier vielmehr um eine Fälschung als um eine Übersetzung handelt. Also: bitte einstampfen, neu übersetzen und dann neu veröffentlichen.

Oder:

Absolut schreckliche Übersetzung. An manchen Stellen liest es sich mehr wie eine Parodie des Original.

Oder:

Die Übersetzung ist eine Frechheit, die eigentlich juristische Konsequenzen zeitigen müsste!

Sehr empfehlenswert wirkt der ausführliche  Kommentar, den Bernhard Lassahn zur deutschen Übersetzung des Petersonschen Meisterwerks – denn das ist es – verfaßt hat. Lassahn macht die Sünden der beiden Peterson-Übersetzer an einem längeren Beispiel dingfest.

Es ist kaum zu glauben, was Lassahn berichtet. Und dies auch dann, wenn man zugesteht, daß der vordergründig plaudernd wirkende, doch sehr durchgeformte, zuweilen sehr knappe und stets auf den jeweils erwünschten Lern-Effekt hin kalibrierte Stil Petersons schwer in eine andere Sprache zu bringen sei.

Doch heißt das nicht, daß es unmöglich sei. Man braucht bloß zweierlei zu tun, nämlich (1) das Original zu achten, z.B. die Kapitelüberschrift

Set your house in perfect order before you criticize the world

nicht banalisierend verballhornen als

Räum erst einmal dein Zimmer auf, ehe du die Welt kritisierst.

Jeder nur halbwegs mit dem Englischen Vertraute dürfte zustimmen, daß mit dieser Übersetzung alle moralische und metaphysische (metaethische, anthropologische) Wucht verpufft, die im Unterton des Original geborgen lag. Von dem flapsigen Einschub „erst einmal“ ganz zu schweigen.

Ferner – (2) – braucht man sich bloß des Hinzudichtens  zu enthalten. Wenn es auf S. 2 des Originals heißt:

Wrens are small, and they’re cute, but they’re merciless.

…dann muß man diesen geraden Satz nicht verschwurbeln zu so etwas (S. 48 der deutschen Übersetzung, die keine römisch gezählten Seiten vorausschickt):

Äußerlich mögen Zaunkönige aussehen wie kleine Federpummelchen, aber sie sind schlau – und gnadenlos.

Die Fügung „kleine Federpummelchen“ spottet jeder Beschreibung (und weiten Teilen der Realität). Wer jemals Peterson im Original gehört oder gelesen hat, dürfte so etwas lediglich mit einem Kopfschütteln quittieren.

Das mittlere Kolon des Original-Satzes stellt eine Schwierigkeit dar: „cute“ kann sowohl „schlau“ oder „clever“, als auch „niedlich“, „drollig“ etc. bezeichnen (Merriam-Webster). Wie sich entscheiden? Ich würde der Stellung des „but“ („aber“) im Original wegen „niedlich“ setzen; der mit dem „but“ markierte Bruch zum Gegensatz oder Ausgleich folgt erst. Der Übersetzer ins Deutsche kümmert sich nicht um die Stellung des „but“; er zieht es eigenmächtig nach vorn.

Demnach hätte man schlicht übersetzen können:

Zaunkönige sind klein, und sie sind niedlich, aber sie sind gnadenlos.

Oder etwas ausgebaut:

Zaunkönige sind klein, und sie sind hübsch anzusehen, aber sie sind gnadenlos.

In keinem Falle braucht der Satz die Schläue. Zumal ja auch auf den folgenden beiden Seiten des Originals weniger eine wie auch immer geartete Klugheit der in Rede stehenden Vögel, sondern deren monomanisch-aggressives Wesen hervorgehoben wird. Die deutsche Übersetzung färbt Vorstellungen, wie sie sich ein ideologisch auf Linie gebrachter (und dort gehaltener) Oberschüler über den Zusammenhang von Schläue, Verschlagenheit und Erfolg in der menschlichen Gesellschaft gemacht haben dürfte, auf die Tierwelt ab.

Die polnische Übersetzung übrigens – ich habe ein Exemplar durchgesehen, das ich vor einiger Zeit meiner Frau geschenkt habe – scheint von gröberen Verstellungen frei zu sein.  Sie ist bei Fijorr Publishing erschienen, wo man u.a. Thomas Sowell auf Polnisch erstehen kann.

Ganz offenbar gehen einige sehr wichtige Dinge an uns (den Deutschen nämlich) vorbei. Und das im Wortsinne, geographisch.