Alles falsch
Die Zeiten sind schlecht: die freiheitsverbürgenden Institutionen der Bundesrepublik Deutschland werden umgangen oder geben sich selbst auf, bestürzend viele Maschinen der Luftwaffe sind flugunfähig, und der Besuch von Läden, in denen Herrenbekleidung angeboten wird, macht auch immer weniger Freude. Was hat man dem bürgerlichen, westlichen Kleidungsstück schlechthin, dem Anzug und seinen Ablegern, dem Sportsakko etc. angetan?! Werfen Sie einen Blick auf unser (durchaus ansehnliches) Modell: Die Jacke wirkt im ganzen zu kurz, wie eingelaufen. Die Rockschöße müßten wenigstens vier Zentimeter länger sein, um als Rockschöße durchgehen zu können; wie sie sind, taugen sie allenfalls als Joppenschößchen. Über die Position der Knöpfe wäre ein ganzer Traktat zu schreiben; das nach oben gerutschte Revers verdiente ebenfalls ein paar Worte. Und dann die Schulterpartie, du meine Güte: Die schwindsüchtigen Schulterpölsterchen tragen zum Eindruck des Eingelaufen-Seins bei; im Zusammenspiel mit den zu kurzen Rockschößen mindern sie den sowohl streckenden als auch, auf Höhe der Schultern, verstärkenden Eindruck, den klassische Herrenbekleidung hervorzurufen pflegt. Die gesamte Silhouette wirkt im besten Fall adoleszent, in freier Wildbahn aber, wo das Sakko kaum noch das obere Drittel der Gesäßtaschen von (unserem Modell in der Regel an Anmut unterlegenen) Jeans- und Chinosträgern bedeckt, enervierend unbeholfen: Man hat den Eindruck, eine Parodie vor sich zu sehen…
Insofern freilich paßt der Trend gar nicht schlecht: Nachbürgerliche Kleidung für eine Gesellschaft, die alles sein will, nur nicht bürgerlich.
(Sie finden das ungerecht? Immerhin habe ich für das Beitragsbild ein noch recht manierliches Beispiel ausgewählt. Klicken Sie, schauen Sie ein wenig herum: Schlimmer geht’s immer.)