Von den „armen“ Philosophen

Von den „armen“ Philosophen

Es gibt einige Mißverständnisse, was das Verhältnis der Philosophen zum Gelde und deren mutmaßliche Weltfremdheit angeht. Das wusste bereits Aristoteles, der über Thales von Milet berichtet:

Als man ihm wegen seiner Armut vorhielt, die Philosophie sei eine unnütze Beschäftigung, da – so sagt man – habe er aus der Berechnung der Gestirne erschlossen, daß eine große Olivenernte bevorstehe; er habe noch im Winter, da er gerade über bescheidene Mittel verfügte, für sämtliche Ölpressen in Milet und auf Chios Anzahlungen hinterlegt und sie für einen geringen Betrag gemietet, da niemand ein höheres Angebot machte. Als aber die Ernte kam und zur gleichen Zeit und plötzlich viele Ölpressen gesucht wurden, habe er sie nach Bedingungen, wie sie ihm gefielen, vermietet; er habe viel Geld gewonnen und bewiesen, daß es den Philosophen leicht ist, reich zu werden, wenn sie wirklich wollen – jedoch dies sei nicht, worauf sie ihr Streben richten.

(Quelle: Aristoteles, Politik, Buch I. Über die Hausverwaltung und die Herrschaft des Herrn über Sklaven (Aristoteles, Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. von Hellmut Flashar, Bd. 9.I). Berlin 1991, S. 29 (1259a). Beitragsbild: Jan Collaert I (um 1530–1581), Nova Reperta, Tafel XII (die Ölpresse), nach Jan van der Straet (1523–1605), um 1600 veröffentlicht von Philips Galle (1537–1612 ). The Metropolitan Museum of Art, New York City, Public Domain.)

José Ortega y Gasset

José Ortega y Gasset

Damit die Philosophie herrscht, ist es nicht nötig, daß die Philosophen herrschen, wie Plato zuerst forderte, noch auch, daß die Herrscher philosophieren, wie er später bescheidener erstrebte. Beides ist im Grunde unheilvoll. Damit die Philosophie herrscht, genügt es, daß sie existiert, das heißt, daß die Philosophen Philosophen sind.

José Ortega y Gasset, Der Aufstand der Massen, übersetzt von Helene Weyl, Stuttgart 1950, S. 125-126, Fußnote.