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Mit Rudyard Kipling zum neuen Jahr (II): Norman and Saxon

My son,“ said the Norman Baron, „I am dying, and you will be heir
To all the broad acres in England that William gave me for share
When he conquered the Saxon at Hastings, and a nice little handful it is.
But before you go over to rule it I want you to understand this:–

„The Saxon is not like us Normans. His manners are not so polite.
But he never means anything serious till he talks about justice and right.
When he stands like an ox in the furrow – with his sullen set eyes on your own,
And grumbles, ‚This isn’t fair dealing,‘ my son, leave the Saxon alone.

Kipling fährt fort:

„You can horsewhip your Gascony archers, or torture your Picardy spears;
But don’t try that game on the Saxon; you’ll have the whole brood round your ears.
From the richest old Thane in the country to the poorest chained serf in the field,
They’ll be at you and on you like hornets, and, if you are wise, you will yield.

„But first you must master their language, their dialect, proverbs and songs.
Don’t trust any clerk to interpret when they come with the tale of their wrongs.
Let them know that you know what they’re saying; let them feel that you know what to say.
Yes, even when you want to go hunting, hear ‚em out if it takes you all day.

„They’ll drink every hour of the daylight and poach every hour of the dark.
It’s the sport not the rabbits they’re after (we’ve plenty of game in the park).
Don’t hang them or cut off their fingers. That’s wasteful as well as unkind,
For a hard-bitten, South-country poacher makes the best man-at-arms you can find.

„Appear with your wife and the children at their weddings and funerals and feasts.
Be polite but not friendly to Bishops; be good to all poor parish priests.
Say ‚we,‘ ‚us‘ and ‚ours‘ when you’re talking, instead of ‚you fellows‘ and ‚I.‘
Don’t ride over seeds; keep your temper; and never you tell ‚em a lie!“

Es spricht viel Liebe aus diesen Versen. Sie gilt einem Volk, dem eigenen Volk, seinen – in einem nicht-abwertenden Sinne – gewöhnlichen Menschen mit ihren alltäglichen Sorgen und Freuden, ihren läßlichen Sünden, ihrem liebens- und achtenswerten Eigensinn und ihrem ausgeprägten Gespür für das Rechte. Das Stück kommt darum ganz ohne die Verstiegenheiten einer „Sendung“ aus, die meint, die Welt retten zu müssen, ohne dröhnende Fügungen, Pathos, und was dergleichen mehr ist. Dafür herrscht milde Ironie, welche die Fremdperspektive eines Rollengedichts – der normannische Eroberer spricht – ermöglicht.

Dem Norddeutschen scheint, daß, was Kipling hier geschrieben hat, auch für die Menschen seiner Gegend gegolten haben möchte – jedenfalls in ihren besten Zeiten:

[…] His manners are not so polite.
But he never means anything serious till he talks about justice and right.
When he stands like an ox in the furrow – with his sullen set eyes on your own,
And grumbles, ‚This isn’t fair dealing,‘ my son, leave the Saxon alone.

Die Sturheit ist sicher noch vorhanden; wofür aber wird das Rechtsempfinden verplempert? Statt über Nichtigkeiten gegen den Nachbarn zu prozessieren, wäre es wichtiger, sich des Grundguts „negative Freiheit“ – Schutz vor ideologiebefeuerten Eingriffen des Staates in die Eigentums- und sonstigen Entscheidungsrechte der Bürger – zu erinnern. Wie Winand von Petersdorff vor einiger Zeit in der F.A.Z. richtig bemerkte,

wächst eine Ökotyrannei in Deutschland, sie stützt sich auf eine große Mehrheit. Und die Bundesregierung steht an der Spitze.

Beispiele? Stichwort Konsumentensouveränität: Deutschland zwingt seine Autofahrer, ein Produkt zu konsumieren, das diese nicht wollen. Sie müssen den (ökologisch übrigens hochumstrittenen) Biosprit tanken […]. Stichwort Mieterrechte: Die Bundesregierung will das Recht der Mieter einschränken, wenn der Vermieter sein Haus öko-saniert. Gewöhnlich durften Mieter, wenn sie durch Renovierungen stark belastet wurden, die Miete reduzieren. Das dürfen sie nicht mehr, wenn die Renovierung dem Klima nützt. Dass darüber hinaus Hausbesitzer noch nicht zur Wärmedämmung gezwungen werden, wie es die CDU wollte, ist allein dem liberalen Koalitionspartner zu verdanken. […] Stichwort Ökostrom: Die Bürger sind nicht nur gezwungen, für teure Photovoltaik und Windkraftwerke zu bezahlen, die sie nicht bestellt haben.

Landsleute! Ist es zuviel verlangt, seine Wahlentscheidung danach zu treffen, ob ein Höchstmaß an „negativer“ Freiheit gewährt werde, statt dem – nächsten – Welterlösungstraum made in Germany dienen (sic!) zu wollen? Bedenkt (wenigstens) zweierlei: (i) Auch Öko-Träume können irren. Was dann? Und (ii): Wohlwollender Zwang ist und bleibt Zwang. Hören wir einen unserer Klassiker zu dieser Frage:

Niemand kann mich zwingen, auf seine Art (wie er sich das Wohlsein anderer Menschen denkt) glücklich zu sein, sondern ein jeder darf seine Glückseligkeit auf dem Wege suchen, welcher ihm selbst gut dünkt, wenn er nur der Freiheit anderer, einem ähnlichen Zwecke nachzustreben, die mit der Freiheit von jedermann nach einem möglichen allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann, (d.i. diesem Rechte des andern) nicht Abbruch tut. – Eine Regierung, die auf dem Prinzip des Wohlwollens gegen das Volk als eines Vaters gegen seine Kinder errichtet wäre, d.i. eine väterliche Regierung (imperium paternale), wo also die Untertanen als unmündige Kinder, die nicht unterscheiden können, was ihnen wahrhaftig nützlich oder schädlich ist, sich bloß passiv zu verhalten genötigt sind, um, wie sie glücklich sein sollen, bloß von dem Urteile des Staatsoberhaupts, und, daß dieser es auch wolle, bloß von seiner Gütigkeit zu erwarten: ist der größte denkbare Despotismus (Verfassung, die alle Freiheit der Untertanen, die alsdann gar keine Rechte haben, aufhebt).

Zurück zu Kipling. Der letzte Vers des Gedichts „Normanne und Sachse“ besteht aus drei Teilen; jeder von ihnen verdient, im Einzelnen betrachtet zu werden:

Don’t ride over seeds;

Wir verbrauchen den Wohlstand künftiger Generationen. Es wird deckungsloses Geld (Fiat Money) gedruckt, das Ersparnisse entwertet.

keep your temper;

.Wo Bürger sich zu Wort melden, tauchen bald die Knebel-Begriffe „Populismus“, „Rechtspopulismus“ und „Wutbürger“ auf. Kritikern werden nicht selten Phobien attestiert, um ihnen die Urteilsfähigkeit abzusprechen. Das wirkt mehr als unkultiviert und zählt, sofern ich recht orientiert bin, kaum zur Praxis eines herrschaftsfreien Diskurses. Offenbar wird Partizipation nur dann gewünscht, wenn der Partizipierende die „richtige“ Meinung vertritt.

and never you tell ‚em a lie!

Wie im Falle der – einem übrigens ausgebliebenen Waldsterben folgenden – Klimakatastrophe, des Kernkraft-Ausstiegs nach Fukushima, der Wirtschaftlichkeit „erneuerbarer“ Energien, der löblichen Effekte von Bio-Nahrung, der „Armut“ in der Bundesrepublik Deutschland, ihrer künftigen Wettbewerbsfähigkeit in einer „globalisierten“ Welt, der europäischen Gemeinschaftswährung, ihrer „alternativlosen“ Rettung usw. usf.