„Naseweise klüglinge/vnd gehessige Neidharten“
Es wird Zeit, wieder einmal etwas Schönes zu hören. Deshalb folgt nun die Vorrede („Author ad Isagogen“) aus Heinrich Stahls „Anführung zu der Esthnischen Sprach“, die 1637 in Reval, dem heutigen Tallinn erschienen ist.
GEhe hin/meine Anführung/in die Welt/vnd vnter die Leute/und hilff denen/so zur Esthnischen Sprache beliebung tragen/das sie zu deroselben wissenschafft gelangen/vnd ihrer gebrauchen/Gott zu Ehren/ihnen selbst zu zeitlichem vnd ewigen gedeyen/vnd vielen Menschen zu nutz vnd frommen/wie du dann vmb solcher/und keiner andern Vrsachen willen von mir abgefertiget wirst.
Ich will dir aber zuvor sagen/vnd verkündigen/wie es dir gehen werde/vnd was du wirst zu erwarten haben/auff das du dich desto besser in die Zeit schicken/darnach richten/vnd gegen männiglich der gebühr nach verhalten/vnd bezeigen möges.
Es werden dir/liebe Anführung/begegnen viele fromme hertzen/die dich mit frewden empfangen/annemen/vnd deiner gebrauchen werden: Denen selben soltu dienen/vnd so viel möglich/befürderlich sein/das sie die Esthnische Sprache fassen/vnd wesser art sie sey/erkennen/oder/da sie selbige schon zuvor wissen/das sie sich mit dir eine kleine weile belüstigen/ und ergetzen; Darnach soltu deine Großgünstige Herren auch fleissig ersuchen/das sie für lieb annemen/was ich/mit vielfältiger mühe vnd schwerer Arbeit häuffig vnd überlüssig beladen/in kurtzer Zeit/schleunigst entworffen/vnd dir mitgetheilet/vnd sich nicht wundern lassen/dafern etwas unverhoffentlich untergeschlichen/das allerdings nicht besteht/vnd sie besser verstehen […]. So aber einem oder dem andern düncket/das an dir/oder meinen andern Schriften/die außgekommen/vnd hinführo außkommen werden/etwas zu endern/zuzusetzen/außzuwerfen/vnd zuverbessern/allermassen ich selbst erkenne/das du noch vnvollkommen/vnd nur auß dem gröbesten gehawen/den oder dieselben soltu bitten/das sie mich dessen Schrifft- oder Mündtlich ohne schew erinnern/Ich erbiete mich solches danckbarlich anzunehmen/vnd guten Raht williglich zu folgen.
Neben diesen wirstu auch antreffen Naseweise klüglinge/vnd gehessige Neidharten/welche bald hie/bald dort etwas herfür suchen und außklauben/selbiges durch ihren klugen Kopff ziehen/anzischen/lästern/tadeln/vnd nach ihrer hocherhabenen Naseweißheit meistern vnnd klügeln werden/nicht das sie dazu gnugsahme vrsachen hetten/sondern die Leute sehen/hinder ihren grossen Bärten/vnnd anschlägigen Köpffen stecke auch/vnd sey vergraben/grosse/vnerforschliche/thörliche klugheit/für welcher sie bersten möchten.
Stahl fährt fort:
Denenselben soltu melden/Erstlich/das es zeit sey/von ihrer Mißgunst abzustehen/vnd GOtt keine Ehre/auch den Menschen ihr bestes zu vergönnen/massen sie mit solcher ihrer Mißgunst/da sie vngern sehen/das die Esthnische Sprache gemein wird/keinen höher/als sich selbst/beleidigen/ihr eigen Hertz quelen/vnnd doch das aller geringste an meinem führhaben nicht behindern: Darnach/das sie zum Artzten gehen/und sich curiren lassen von der gefährlichen Seuche der Faulheit/damit sie beladen sind/ehe dieselbe gar überhand nimmet/vnnd sie in derselben mit grosser schmach und schande sterben vnd vntergehen: vnnd endtlich/das sie aus der Schatzkammer ihrer Weißheit etwas bessers an den Tag bringen/so werden männiglich dessen gebrauchen/Ihnen dafür Lob und Danck sagen/vnd ihre Weißheit/wie billich/in den Himmel erheben.
Zitiert nach der zweiten Auflage des Neudrucks, Brampton/Tartu 2000.